Eine Geschäftsreise nach Dubai ist auch für erfahrene Globetrotter immer wieder eine Inspiration: Hier sind der Fantasie und den Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt. Wohl keine andere Stadt hat so viele Luxushotels im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Braucht es da wirklich noch ein weiteres? Dieser Frage ist Carsten K. Rath nachgegangen und hat in Dubais jüngstem 5-Sterne-Hotel eingecheckt: dem La Ville Hotel & Suites im Herzen des neuen Stadtteils City Walk.
#Wertung
Die Bewertung erfolgt nach subjektiven und zugleich professionellen Gesichtspunkten aus meiner Perspektive als langjähriger Branchen-Insider anhand des Net Promoter Score auf einer Skala von 1 (unwahrscheinlich, dass ich das Unternehmen einem Freund oder Kollegen empfehlen würde) bis 10 (äußerst wahrscheinlich).
Dubai ist so etwas wie der Ballungsraum der Grand Hotellerie. In der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate gibt es etwa doppelt so viele 5-Sterne-Hotels wie in ganz Deutschland zusammengenommen. Hinzu kommt das eine oder andere sogenannte „6-Sterne-Hotel“ und mit dem Burj-al-Arab sogar das einzige selbsternannte „7-Sterne-Hotel“ der Welt. Wem es darum geht, seinen Instagram-Feed mit eindrucksvollen Selfies an irrwitzig luxuriösen Orten zu füllen, muss in Dubai also nur von einer Haustür zur nächsten spazieren. Ganz Stadtviertel werden geradezu von 5-Sterne-Häusern dominiert; insbesondere der Einzugsbereich der berühmten „Palme“ und Downtown Dubai.
Der routinierte Reisende mag sich angesichts dieses Überflusses fragen, ob es überhaupt noch einen Unterschied macht, in welches der weit über 200 Grand Hotels in Dubai man eincheckt – und ob diese Stadt tatsächlich noch einen weiteren Luxustempel braucht. Mein Aufenthalt im La Ville, dem jüngsten Spross der Grand-Hotelszene Dubais, soll die Frage beantworten: Geht da überhaupt noch was?
Location
Mit seiner Lage macht das La Ville Hotel & Suites seinem Namen alle Ehre: Mitten im neuen Downtown gelegen, könnte es urbaner nicht platziert sein. Wer angereist ist, um aus dem vollen Repertoire von Dubais Shoppingtempeln und internationaler Gastronomie zu schöpfen, findet hier einen idealen Hafen. Das La Ville ist das erste Hotel innerhalb des neu angelegten Wohn- und Shopping-Distrikts City Walk und liegt doch nur einen Katzensprung von einigen der größten und bekanntesten Hotels der Stadt entfernt. Der gesamte City Walk ist im europäischen Stil elegant, stilvoll und vor allem kitschfrei gestaltet. Obwohl neu angelegt, wirkt er gewachsen und enorm durchdacht – für mich derzeit das spannendste Viertel Dubais.
Schon auf den ersten Blick fällt auf, was das La Ville von seinen berühmten Nachbarn unterscheidet: Wie der gesamte City Walk als Low Rise angelegt, verweigert es sich dem Höhenwahn, der die Hotelszene Dubais prägt – und damit auf erholsame Weise auch dem Größenwahn, in den das Angebot in dieser Stadt allenthalben zu kippen droht. Wer nicht mit einer Entourage von 200 Dienstboten anreist, weiß die intime Erfahrung eines Boutique-Hotels zu schätzen – vor allem dann, wenn er sich an Dubais Mega-Wolkenkratzern längst satt gesehen hat.
Allein, dass sich das La Ville dem Wettlauf um den nächsten Superlativ selbstbewusst entzieht, verleiht ihm schon einen gewissen Charme. Doch setzt der sich auch in der alles entscheidenden Gasterfahrung fort?
Ausstattung
Auch in der Konzeption seiner Outlets unterscheidet sich das La Ville offenkundig von seinen pompösen Wettbewerbern. Zwar verzichtet es keineswegs auf die üblichen Annehmlichkeiten wie Rooftop Bar mit Pool, Blick über die Skyline, Full Service Spa und Fitness Center. Doch wer sich umsieht, merkt schnell, dass die Führung des Hotels nicht Scheichs und Staatsgäste im Visier hat. Angesprochen wird vielmehr eine jüngere, urbane Zielgruppe, die mehr Wert darauf legt, dass sich ihr Hotel ins Lokalkolorit und das Reiseerlebnis integriert, anstatt sich mit Prunk und Protz in den Vordergrund zu drängen. Das La Ville lässt nicht raushängen, was in Dubai möglich ist. Vielmehr erspürt es, was seine Gäste wirklich suchen; der Ursprungsgedanke der gehobenen Hotellerie.
Das bewusste Understatement ist leider gleichzeitig auch einer der wenigen Schwachpunkte des Hotels: Bei der Hardware wurde an zu vielen Stellen gekleckert, wo anderswo geklotzt wird. Die Materialien sind oft nur Durchschnitt. Vor allem die Verarbeitungsqualität in den öffentlichen Bereichen und in den Zimmern kann verwöhnte 5-Sterne-Gäste nicht vom Hocker hauen. Das tut dem Gesamteindruck jedoch wenig Abbruch: Das La Ville ist ein stilvolles, hochwertiges Hotel. Nur der geübte Blick wird die kleinen Mängel, etwa auch im Pool-Bereich, aufschnappen – die Gasterfahrung trüben sie nicht.
Gastronomie
Das La Ville verfügt trotz seiner übersichtlichen Größe gleich über fünf gastronomische Outlets. Das Grapeskin etwa ist eine trendige, entspannt-urbane Bar mit Küche, die auch in Berlin-Mitte angesiedelt sein könnte. Das Grillrestaurant und Steakhouse Casual weiß sowohl drinnen als auch auf der weitläufigen Terrasse mit perfekten Steaks und seiner loungigen, coolen Atmosphäre zu überzeugen. Glamour-Fans bietet die Rooftop-Bar Look Up mit spektakulärem Blick auf die Skyline und den Burj Khalifa einen schicken Treffpunkt, ohne dabei in den typisch neureichen Schwof sendungsbewussterer Locations in der Stadt zu verfallen.
Echter Luxus steckt oft in den Kleinigkeiten der Gastorientierung, und in denen ist das La Ville ausgesprochen stark. So ist das Frühstück wochentags bis 11 Uhr und am Wochenende bis 12 Uhr möglich; ein Segen für Jetlag-Geplagte und Partytiere. In modern-reduzierten Designermöbeln speist es sich schon morgens elegant. Die Auswahl ist für arabische Verhältnisse überschaubar, die Präsentation dafür exzellent. Besonders gut hat mir die Idee gefallen, dem Frühstück eine zusätzliche Service-Komponente mit hohem Aufmerksamkeitsfaktor zu verleihen: Einige Male pro Stunde geht ein Koch von Tisch zu Tisch und verteilt kleine frisch gebackene Köstlichkeiten – nicht nur geschmacklich ein süßes Extra.
Service
Nicht die Ausstattung oder der Glamour, sondern der Service ist im La Ville der Ankerpunkt des Gesamtkonzepts – eine weise Entscheidung. Hier beweist General Managerin Anke Glassing, dass gerade in einer Stadt wie Dubai die Gastorientierung den Ausschlag beim Erlebnis Hotelaufenthalt gibt. Die Basics wie Housekeeping, Room Service oder auch der Schuhputzservice funktionieren nicht nur wie am Schnürchen, sondern geradezu herzerwärmend persönlich: Meine Schuhe etwa kommen in Perfektion poliert mit dem Namen des Mitarbeiters in einer liebevoll gepackten Box zurück, als hätte ich sie gerade in einer der Nobelboutiquen draußen auf dem City Walk erstanden.
Die Guest Relations-Abteilung ist hervorragend in der Stadt vernetzt und knackt auch harte Nüsse wie meinen Wunsch nach einer kurzfristigen Führung durch das Burj al Arab. Insbesondere Liana und Nadja präsentieren sich als wirkliche Concierges der alten Schule, die mehr als einmal für mich zaubern.
Das La Ville stellt unter Beweis: Wahrer Luxus ist nicht allein die Hardware, sondern die vor allem die menschliche Zuwendung. Bei besagter Führung durch das Burj al Arab kann ich mich davon überzeugen, wie arrogant und distanziert man als Gast in Dubai behandelt werden kann. Das „Grand“ in Grand Hotel kommt eben nicht von der Ausstattung, sondern von der Haltung – und die hat das vergleichsweise kleine La Ville tatsächlich besser drauf als das derzeit vielleicht teuerste und berühmteste Hotel der Welt.
Raths Experten-Tipps für Dubai
- Restaurant: Das Lima direkt gegenüber dem La Ville bietet exzellente Peruvian Cuisine mit einem Michelin-Stern (der allerdings in der Londoner Filiale erkocht wurde).
- Bar: Die Rooftop-Bar Look Up überzeugt nicht nur mit exzellenten Drinks, sondern auch mit einem einzigartigen Panorama, aufmerksamem Service und toller Musik.
- Shopping: Der neu angelegte City Walk direkt vor der Haustür lässt keine Konsumwünsche offen – und das in moderner, entspannter und kitschfreier Atmosphäre.
Fazit
Das La Ville ist näher am Gast als an der Konkurrenz – und das ist in einer Stadt wie Dubai durchaus ein Alleinstellungsmerkmal. Das Personal zeigt sich stets entspannt und ohne Attitüde, dabei aber extrem effektiv, herzlich und ausgesprochen engagiert. Die Führung hat ein detailverliebtes, überzeugendes Gesamtkonzept auf die Beine gestellt, dass eine erfrischende Abwechslung zu den nahegelegenen Prunkpalästen darstellt. Damit empfiehlt es sich vor allem für Wiederholungsreisende, Geschäftsreisende und urbane Globetrotter, die lieber eine entspannte Zeit verbringen oder in Ruhe arbeiten als von zentnerweise Blattgold und geltungsbedürftigen Neureichen umzingelt sein wollen. Zwar fehlt der Hardware das letzte Quäntchen Liebe zum Detail, das den Service durchweg auszeichnet. Doch im La Ville fühle ich mich zu Hause – und das ist in Dubai mit all seinem entfremdenden Protz keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Für originelle, entspannt-urbane Konzepte wie das La Ville ist sogar in einer Stadt wie Dubai noch Platz: Rath checkt ein.