Die 5 meistüberschätzten Touristen-Hypes der Welt

Auf manche Sehenswürdigkeiten freut man sich ein halbes Leben lang – und kann es dann kaum fassen, wenn man endlich davorsteht: Das ist alles? Mit diesen 5 Anti-Reisetipps möchte ich Sie vor den größten Enttäuschungen bewahren, die Tourismus-Behörden und Veranstalter weltweit ihren Gästen zumuten. Nicht enttäuscht sein, wenn etwas von Ihrer To-do-Liste dabei ist: Besser jetzt als vor Ort!  

 

1. Reeperbahn, Hamburg

hamburg-reeperbahn
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Nicht nur die Hamburger müssen jetzt stark sein: Die Reeperbahn ist einfach nicht mehr, was sie mal war. Der wohl berühmteste Kiez Deutschlands hat den Großteil seines alten Glanzes verloren. Nachts um halb eins lässt sich das – wenigstens in den besseren Nächten – noch einigermaßen kaschieren: Da lassen die noch nicht komplett ramponierten Leuchtreklamen, die heiteren und angeheiterten Schaulustigen und natürlich die Dienstleister der anderen Art manchmal noch Rotlicht-Romantik und Partystimmung aufkommen.  

Tagsüber dagegen – und da kommen nun mal sogar auf der Reeperbahn die meisten Touristen, zumal die Fotowütigen – ist die geile Meile nicht besonders sexy. Viele Fassaden sind grau und verfallen, der Müll der letzten Nacht verschandelt die Gehwege, in vielen Ecken riecht es streng. Der zentrale Platz des Kiezes, der Spielbudenplatz, ist gerade groß genug für die beiden viel zu großen und verblüffend hässlichen Bühnen, die dort für Veranstaltungen installiert wurden – aber reichlich selten genutzt werden.  

Wer dennoch nicht auf einen Besuch im Kiez verzichten will, sieht sich am besten am Hamburger Berg um, einer Seitenstraße der Reeperbahn, und zwar unbedingt nachts. Dort reiht sich eine Bar an die andere, und am Wochenende zappelt auf den vielen kleinen Tanzflächen ordentlich der Matjes. Vor allem die einheimische Jugend hat sich hier häuslich eingerichtet; in den Augen der Einheimischen ist St. Pauli als Ganzes im Gegensatz zur Touristenfalle Reeperbahn nämlich noch nicht tot. Vor allem das Roschinsky’s und die hippe Barbarabar sind gefragt 

Kleine Meerjungfrau, Kopenhagen (mit einem Gastauftritt von Manneken Pis, Brüssel)

Kopenhagen
Kopenhagen
Manneken-Pis-Belgien
Manneken-Pis-Belgien

Der Klassiker unter den Touristen-Schrecks, vor dem jeder Kopenhagen-Reisende anschließend seinen gesamten Freundeskreis warnt: Die kleine Meerjungfrau in Kopenhagen kann man leicht übersehen, so schmächtig ist die Statue mit ihren 125 Zentimetern Gesamtgröße. Dass der Künstler, der Bildhauer Edvard Eriksen, uns mit dem Namen seiner 1913 aufgestellten Skulptur nicht gewarnt hätte, können wir zwar nicht behaupten – aber ein bisschen mehr Bronze erwartet man irgendwie doch vom weltberühmten Wahrzeichen einer europäischen Hauptstadt.  

Wesentlich ärgerlicher noch als die Größe der Figur ist allerdings, wenn man ganz und gar vergeblich danach sucht. Und das ist in der Vergangenheit leider immer wieder vorgekommen: Die Bronze ist ein beliebtes Ziel von Attentaten. Zum Beispiel verliert sie hin und wieder mal ihren Kopf und muss dann in mühevoller, langwieriger Restaurationsarbeit in einer Spezialwerkstatt repariert werden. Auch beschmiert oder anderweitig mutwillig beschädigt wurde sie schon häufiger; einmal wurde sie sogar – wohl mit Hilfe von Sprengstoffins Hafenbecken gestürzt 

Aus ziemlich genau denselben Gründen macht der Kleinen Meerjungfrau übrigens nur noch Manneken Pis in Brüssel mit seinen stolzen 61 cm Körpergröße Konkurrenz im Kampf um den kleinsten, größten Touri-Hype. Aber der kleine Mann wird bereits seit 1698 wenigstens regelmäßig in witzige Kostüme gesteckt – ganz legal und offiziell. Edle Spender und Staatsgäste schenken der Stadt sogar regelmäßig neue Outfits; Spitzenreiter ist Japan mit bisher 18 Kleiderspenden. Durch die textile Vielfalt haben Selfies mit Manneken Pis wenigstens noch einen Hauch von Originalität und Aktualität. Die inzwischen fast 1000 verschiedenen Kostüme werden nämlich aktuellen Anlässen oder gesellschaftlichen Ereignissen angepasst. Sie haben inzwischen sogar ihr eigenes Museum neben dem Brunnen 

3. Rooftop-Pool des Marina Bay Sands, Singapur

Infinity-Pool-Marina Bay
Infinity-Pool-Marina Bay

Infinity Pool Marina Bay  Was um alles in der Welt hat dieser spektakuläre, auf Instagram am häufigsten geteilte Hotelpool der Welt in dieser Aufzählung von überhypten Enttäuschungen zu suchen, fragen Sie? Eine berechtigte Frage: Das Hotel an sich ist inzwischen zum Wahrzeichen der Stadt avanciert, und der Pool spielt dabei eine ganz zentrale Rolle. Ganze Heerscharen von Touristen pilgern ins Marina Bay Sands mit seiner einzigartigen Architektur, nur um ein Selfie an diesem Pool zu schießen. Weil man zum Betreten des Pool selbst Hotelgast sein muss, gibt es sogar Berichte von jungen Reisenden, die sich gruppenweise in eines der überteuerten Zimmer einmieten – nur um sich hier im Wasser ablichten zu können. Wer kein Hotelgast ist, darf zwar nicht ins Wasser, aber immerhin bis an den Pool, um sein Selfie zu schießen.  

Genau deshalb gehört der Pool aus meiner Sicht in diese Anti-Top-5: Weil der Pool so überfrequentiert ist und sich die Selfie-Jäger auf dem Dach drängen, fällt das eigentlich atemberaubende RooftopAmbiente für die Gäste komplett ins Wasser. Es ist eine einzige Prozession. Wer die hohen Preise in diesem Hotel bezahlt, um einen luxuriösen Hotelaufenthalt zu genießen und am Infinity-Pool über den Dächern Singapurs zu relaxen, kommt nicht auf seine Kosten. Es nervt.  

Alternativvorschlag für Foto-Jäger: Das eigentliche Wahrzeichen von Singapur ist die Figur des Merlion im Hafen. Noch besser für Selfies geeignet ist die übergroße, begehbare Version der mythischen Kreatur auf der Urlaubsinsel Sentosa, mit einer spektakulären Seilbahnfahrt zu erreichen. Dort gibt es sogar Fotografen, die Sie (natürlich gegen Gebühr) professionell im Maul des Merlions ablichten – aber Sie können es natürlich auch selbst machen.   

 

Plymouth Rock, Massachusetts

Plymouth Rock, Massachusetts
Plymouth Rock, Massachusetts
Henry A.Bacon
Henry A.Bacon

Der Name ist Programm. Ernsthaft: Es ist ein Stein. Einfach nur ein gar nicht mal so riesig großer, ausgerechnet weißer Stein. Von Assoziationen wie der White Supremacy, die schon Malcolm X im Zusammenhang mit der Landung der Pilgerväter aufwarf, mal ganz abgesehen: Es ist ja noch nicht einmal verbrieft, dass der Stein überhaupt anwesend war, als die Gründer der Vereinigten Staaten genau hier, im heutigen Hafen von Plymouth/Massachusetts, von der Mayflower an Land gingen. Erstmals erwähnt wurde der unscheinbare Klumpen nämlich erst 121 Jahre später.  

Auf dem ikonischen Gemälde von Henry A. Bacon von 1877 sieht der Fels jedenfalls ganz anders aus als der unspektakuläre Brocken mit der eingemeißelten Jahreszahl 1620, der heute an dieser Stelle in einem Käfig liegt und gehegt und umharkt wird wie die symbolhaften Steine in einem japanischen Zen-Garten. Warum der Käfig? Es wird gemunkelt, dass im Laufe der Jahre so viele Besucher ein Stück des Brockens als Souvenir abgebrochen hätten, dass irgendwann ein neuer beschafft werden musste.  

Selbst wenn das ein Gerücht sein sollte: Wer garantiert uns denn, dass dieser vollkommen unscheinbare Steinbrocken nicht einfach von einem findigen „Tourismus-Manager“ vergangener Tage oder Gastwirt aus der Gegend dort platziert wurde, um Gäste in die Stadt zu ziehen? Vielleicht war es auch ein eifriger Patriot, der dem für die Nation wichtigen historischen Ereignis mehr oder weniger offiziell ein Denkmal setzen wollte? Wir werden es wohl nie erfahren …    

Venedig

Touristenschlangen in Venedig
Touristenschlangen in Venedig
Müll auf den Straßen Venedigs
Müll auf den Straßen Venedigs

Was, die Stadt? Ja, die Stadt. Es ist mein voller Ernst: Diese wundervolle Stadt, die ganz zu Recht zum Kulturerbe unserer Spezies gehört, kann man als halbwegs kultivierter Mensch eigentlich nicht mehr guten Gewissens besuchen. Mal davon abgesehen, dass die architektonische Substanz inzwischen massiv gelitten hat und jeder Tourist dazu beiträgt, dass sie weiter verfällt, ist es auch subjektiv eine Höllenqual, die Kanäle und Palazzi auf den üblichen touristischen Pfaden zu erkunden. Es sei denn natürlich, Sie stehen auf gereizte Menschenmassen, spontanen Körperkontakt mit Fremden und warten sehr gern. Stundenlang. Manchmal ohne zu wissen, worauf eigentlich.  

Und welche Alternativen hat man denn, als sich in den lärmenden, oft rücksichtslosen Pulk der Touristengruppen einzureihen? Es ist ja nicht so, dass Venedig groß genug wäre, um reichlich Ausweichmöglichkeiten zu bieten. Natürlich könnten Sie sich damit begnügen, sich durch die dunkelsten, schmutzigsten, muffigsten Gassen zu schlängeln – denn auch daran ist die Stadt schon baubedingt reich – und die Gondeln, Brücken und Museen nur aus der Ferne zu betrachten. Doch wer reist dafür schon an und bezahlt die horrenden Hotel- und Restaurantpreise, die dank der Touristenströme sogar die Einheimischen in Kauf nehmen müssen? Kein Wunder, dass die Zahl der Bewohner in den letzten 70 Jahren von 175.000 auf 55.000 gefallen ist – als Lebensort ist Venedig schon längst nicht mehr attraktiv.  

Dadurch, dass die Stadt inzwischen verständlicherweise Notwehr geltend macht, um den Massentourismus aus aller Welt besser zu regeln, wird es eher noch schlimmer. Wie reizvoll ist der Besuch einer Stadt, in der es Touristen-Ampeln braucht, damit der Besuch eines zentralen Platzes nicht in eine Massenpanik ausartet? Kann ich einen Stadtbummel genießen, für den ich ein Ticket brauche, um mich überhaupt frei bewegen zu dürfen? Nein, danke: Venedig ist das beste Beispiel dafür, dass man seinen Urlaub auf keinen Fall entlang von Hypes planen sollte  


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