Das Hotel Pitter hat in der Salzburger Altstadt mit extrem verdichteter Konkurrenz zu kämpfen. Gelingt es dem Pitter, unseren Hotel- und Service-Experten Carsten K. Rath mit seiner Alleinstellung zu begeistern – und das während der Renovierung?
#Wertung
Die Bewertung erfolgt nach subjektiven und zugleich professionellen Gesichtspunkten aus meiner Perspektive als langjähriger Branchen-Insider anhand des Net Promoter Score auf einer Skala von 1 (unwahrscheinlich, dass ich das Unternehmen einem Freund oder Kollegen empfehlen würde) bis 10 (äußerst wahrscheinlich).
Salzburger Seele
Location, location, location: Das Lebensmotto der Immobilienhaie von Manhattan gilt auch in der Hotellerie vielen als wichtigster Erfolgsfaktor. Immerhin stammt es von Conrad Nicholson Hilton! In dieser Hinsicht räumt das Hotel Pitter, in dem ich ein klassisches, alpenrepublikanisches Romantik-Wochenende verbringen möchte, schon mal die Bestwertung ab.
Das Problem ist nur: Das tut die zahlenmäßig ziemlich überschaubare, dafür aber extrem verdichtete Konkurrenz in der Salzburger Altstadt auch. Unweit aller Sehenswürdigkeiten, Salzachufer und allen anderen besseren Hotels der Stadt löst sich der Lagevorteil irgendwie gleich wieder in Luft auf.
In einer so unbereinigten Lage muss ein Hotel eigentlich alles andere richtig machen, um herauszustechen – auch wenn es „nur“ vier Sterne trägt. Nicht nur der Komfort und der Service stimmen besser. Ich erwarte auch, dass das Haus und vor allem die Menschen, die ihm Seele einhauchen, zu mir sprechen. Anders formuliert: Wenn in Salzburg keine Romantik aufkommt, dann bin ich im falschen Hotel. Wie ein Nachbar-Kaiser einst sagte: Schau ‘mer mal.
Ein Disclaimer vorab: Das Hotel befand sich zum Zeitpunkt meines Besuchs in Renovierung, was beim Gesamteindruck natürlich zu berücksichtigen ist.
Smart gebaut ist halb gewonnen
Das Pitter liegt im nordwestlichen Teil der Hotelverdichtung östlich der Salzach. In der weitgehend sehr niedrig bebauten Altstadt ist die etwas stattlichere Höhe des Pitter mit seinen sechs Etagen samt Dachbebauung schon fast ein kleiner Vorteil, denn der Blick aus den teilverglasten oberen Stockwerken und insbesondere der gläsernen Skybar mit ihrem großzügigen Freisitz ist hervorragend: direkt auf den Staufen. Mehr Gebirgskulisse kann auch die Konkurrenz innerhalb der Stadt nicht bieten.
Wer Wert auf eine gute Anbindung legt, freut sich auch über die Nähe zum Hauptbahnhof und zur A1. Noch einen Block weiter nördlich und fast direkt an den Gleisen betreibt die Imlauer-Gruppe, zu der das Pitter gehört, auch noch das Hotel Imlauer & Bräu samt Braurestaurant, das zu den rustikaleren Hotels in der Altstadt zählt.
Mozarts Wohnhaus, Karajans Geburtshaus, das Salzach-Ufer und urige Beizen wie Zum fidelen Affen sind alle nach einem kurzen Fußweg zu erreichen. Auch der Weg hinauf zum Kapuzinerberg ist nicht weit. Nein, an der Lage scheitert das Pitter ganz sicher nicht.
Eine gänzlich charmefreie Baustelle
Während meines Aufenthalts um Ostern 2018 ziert ein großes Baugerüst die Fassade des Pitter. Da rutscht dem nichtsahnenden Gast bei der Anreise natürlich erst einmal das Herz in die Hose.
Nun kann man keinem Hotel verbieten zu renovieren. Und man kann auch keinem Hotel vorschreiben, während der Renovierung zu schließen, denn das wäre nun mal ein teurer Spaß für die Betreiber.
Was mich jedoch ärgert ist, dass ich zu keinem Zeitpunkt über diesen Umstand informiert worden bin. Abgesehen davon, dass ich diesen Hinweis gern bei der Buchung bekommen hätte: Wofür pflegt ein Hotel einen Blog, wenn dort so getan wird, als gäbe es keine Renovierung? Stattdessen wirbt das Pitter online fröhlich weiter mit „romantischen Abenden“ und „Frühlingsbesuchen“ in Salzburg, als ob nichts wäre. Aus unternehmerischer Sicht nachvollziehbar. Aus Gästesicht suboptimal und ein weiterer Nicht-Vorteil des Pitter, den es zu kompensieren gilt.
Jetzt sollte die Ausstattung mich schon begeistern, damit meine Laune steigt. Die bereits fertige neue Lobby ist hell und modern, aber unentschlossen gestaltet. Die braunen Marmorsäulen und beinahe barocken Kronleuchter wollen nicht recht zu den hellen Fliesen und der indirekten LED-Beleuchtung unter den Treppenstufen passen. Auch auf dem Zimmer kann das Standardbraun der Möbel und Altrosa der Textilien im 21. Jahrhundert niemanden mehr vom Hocker hauen.
Um es kurz zu machen: Das Pitter bietet Vier-Sterne-Standard ohne jegliche Highlights und ohne einen Hauch von Extra. Das ist, gelinde gesagt, zu mager, wenn ein Hotel von der Konkurrenz nur so umzingelt ist und sich preislich auch nicht deutlich nach unten von Wettbewerbern mit einem Stern mehr direkt gegenüber absetzt. Mehr als einmal schaue ich während meiner Aufenthalts etwas wehmütig hinüber zum Sheraton.
Langsam wird es eng fürs Pitter. Romantik, bitte, aber zack, zack! Der Service, vielleicht?
Romantik braucht immer zwei
Mit gutem Service kann ein Hotel fast alles wettmachen – sogar einen Supergau wie eine Renovierung während des Aufenthalts ihn aus Gästesicht darstellt. Wie gesagt: kann.
Bereits der Checkin stimmt mich wenig optimistisch: Die kratzbürstige Front Office Managerin verdirbt mit Ihrer Imperativ-Sprache nicht nur mir, sondern offenbar auch den Mitarbeitern an der Rezeption die Laune, denn die ziehen allesamt ein Gesicht.
Am Morgen nach der ersten Nacht ist es in meinem Zimmer dann endgültig mit der Romantik vorbei: Um 7:30 Uhr legen die Bauarbeiter los – auf dem Gerüst direkt vor meinem Fenster, also keine drei Meter von mir entfernt.
Nach 25 Jahren Grand Hotellerie und mehreren Dutzend Hoteleröffnungen kenne ich das Geräusch jeder Maschine, die es auf einer Hotelbaustelle gibt. Sie dürfen mir also glauben: Während ich an diesem Morgen unsanft wach werde und mich in den Tag quäle, bekomme ich alle akustischen Finessen geboten, die das Handwerk zu bieten hat: hämmern, nageln, bohren, schleifen, polieren, und das alles direkt vor meinem offenen Fenster.
Mach doch einfach das Fenster zu, sagt der aufmerksame Leser an dieser Stelle. Würde ich ja gern, aber dann geht es mir noch schlechter. Denn leider ist es mir die ganze Nacht über nicht gelungen, mein Zimmer unter 26 Grad zu kühlen – weder mit der Klimaanlage noch mit Lüften. Unter einem heißen Wochenende verstehe ich etwas anderes.
Ich kann es leider nicht anders formulieren: Dieses Zimmer, unter diesen Umständen, in diesem Zustand einem Gast anzubieten, und dann auch noch zu Standardkonditionen, ist eine Zumutung.
Leider kann auch die Zimmerausstattung mich nicht von meiner Misere ablenken, denn die vier Sterne sind hier beinahe geprahlt. Im Bad gibt es nur zwei industrielle Wandspender mit derselben pinkfarbenen Plörre, die offenbar Seife, Duschgel, Shampoo, Conditioner und wer-weiß-was-noch-alles sein soll. Und dann sind diese beiden Spender auch noch leer. Nicht fast leer, sondern leer, bis auf ein paar pinkfarbene Sprenkel. Auch weitere Amenities wie Oropax (wäre gerade angebracht) oder andere Pflegeartikel suche ich vergeblich. Das ist schwach im Jahr 2018, und in einer touristisch erschlossenen Gegend wie Salzburg sogar schwer unterdurchschnittlich.
Romantik braucht auch in der Hotellerie immer zwei: einen begeisterungsfähigen Gast und ein begeisterndes Hotel. Bitte, bitte, liebes Pitter: Versuch wenigstens, mich noch irgendwie rumzukriegen.
Raths Experten-Tipps für Salzburg
Beiz: Eine zünftige Beiz, in der es einheimisch, lustig und ungezwungen zugeht, ist „Zum fidelen Affen“ in der Priesterhausgasse. Flexibler Service, bezahlbar, sogar mit Separee.
Jogging: Von jedem beliebigen Punkt in der Altstadt am Ostufer die Salzach entlang immer Richtung Hallein fällt der Blick unterwegs auf die schönsten Almen um Salzburg.
Bar: Die Skybar ist das bauliche Highlight des Pitter Hotels. Hier oben, über den Dächern und hinter Glas, wirkt das beschauliche Salzburg ein klein wenig hipp.
Gleichgültigkeit führt zu Liebesentzug
Unter den Faktoren, mit denen ein Hotel punkten kann, sind zum Beispiel auch Innovationsfreude und Großzügigkeit in Kleinigkeiten. Gerade in der Gastronomie lässt sich mit diesen beiden Zutaten einiges bewerkstelligen. Und gerade im Schlemmerland Österreich erwarte ich Qualität auf dem Tisch.
Ein kreatives, reichhaltiges Frühstück mit frischen Zutaten und Lokalkolorit jenseits der Norm kann zum Beispiel jeden Gast begeistern. Was ich im Pitter bekomme, ist leider einfach nur gewöhnlich und zu großen Teilen auch noch aus der Dose.
Wenigstens ist der Service in der verglasten Skybar auf dem Dach des Hotels genauso nett wie der Ausblick. Dorthin verschlägt es mich am Abend, um mir die bevorstehende Nacht schön zu trinken. Auch die Getränkeauswahl einschließlich Cocktails stimmt. Aber das moderne Ambiente auf dem Dach und ein Drink oder zwei reichen an diesem Punkt längst nicht mehr, um mich noch versöhnlich zu stimmen.
Leider mangelt es mir auch an Argumenten, um dem Haus nach abgeschlossener Renovierung noch eine Chance zu geben – Argumenten wie einer außergewöhnlichen Ausstattung, überraschendem Service oder gastronomischen Highlights. Denn leider habe ich den Eindruck gewonnen, dass es der Führung egal ist, wie man den Nachteil der Renovierung mit tollen Ideen oder wenigstens einem Hauch von Großzügigkeit aufwiegen könnte.
Und was passiert, wenn sich der Partner in einer romantischen Beziehung gleichgültig zeigt? Liebesentzug. Ich bin dann mal weg. Sobald ich mein Auto gefunden habe, das angeblich auf Ebene -3 im Parkhaus steht. Tut es nicht, und es dauert, bis ich es finde. Allein, im Parkhaus, im Dunkeln. Eine komische Vorstellung von Romantik haben sie hier, sogar noch nach dem Abschied.
Das Pitter hatte ein ganzes Wochenende lang Zeit, um mich in meiner romantischen Frühlingsstimmung nach allen Regeln der Kunst anzubaggern. Wer hätte gedacht, dass ein Hotel diese Erwartungshaltung jemals wörtlich nehmen würde? Ein bisschen fühle ich mich wie ein abgelegter One-Night-Stand, eilig ausgesperrt am Morgen danach. Rath checkt aus, und kommt nicht wieder.
Fazit: Romantisch Fehlanzeige, rational auch
Ich kann es nicht beschönigen: Mein Aufenthalt im Pitter ist ein Reinfall. Natürlich hat die nicht kommunizierte und aus Gästesicht schlecht organisierte Renovierung einen Anteil an meiner Enttäuschung. Doch auch, wenn ich die enttäuschte Romantik ausblende: Auch rational spricht wenig für das Hotel in der Rainerstraße. Die Lage ist das einzige schlagende Argument für das Pitter, und diesen Standortvorteil hat fast jedes andere Hotel in der Altstadt auch. Wo die Konkurrenz so verdichtet ist, geben ein schlüssiges Konzept, eine innovative Ausstattung, überraschende Service-Momente und kulinarischer Ideenreichtum den Ausschlag. Und das Pitter punktet bei mir in keiner dieser Kategorien. Wer den Aufenthalt in Salzburg also günstiger haben will als im sehr gut geführten Sacher, der geht besser ins Sheraton, das bei ähnlichem Preis einen Stern, und deutlich besseren Service zu bieten hat und sich in Kleinigkeiten weniger kleinlich zeigt.