Das Joseph’s in einem alten Getreidespeicher am Rheinufer kommt mit seiner Mischung aus modernem Industrial-Look und warmer Rustikalität selbstbewusst daher und füllt geografisch eine Lücke in toller Lage. Gelingt das auch gastronomisch?
Das Konzept: ZSMMN, oder: Bayern und Österreich, endlich vereint
Falls Sie es nach der Blamage bei der WM 2018 schon verdrängt haben: #ZSMMN war der Slogan der Fußball-Nationalmannschaft für das Turnier. Der hob allerdings noch weniger ab als die Mannschaft. Im Joseph’s kommen zwei Küchen wahlweise zsmmn, z’sam oder z’samma, die sonst eher im Nahkampf-Modus gegeneinander angeführt werden: Bayerisch und Österreichisch.
Der Küchenchef Karsten Mahlberg ist mit der süddeutschen und österreichischen Küche bestens vertraut und legt Wert auf frische Produkte aus der Region.
Spezialitäten sind Klassiker beider Landesküchen, vom Wiener Schnitzel über den Tafelspitz und Rindsrouladen bis hin zum Topfenschmarrn und Palatschinken.
Die Location: Endlich ein Restaurant, wo noch eines hingehört
Das Joseph’s liegt am Rheinauhafen, genauer gesagt an der Agrippinawerft, direkt am Rheinufer. Und darüber freue ich mich als Kölner ganz besonders. Denn in dieser wunderschönen Gegend gibt es viel zu wenige Restaurants – in unmittelbarer Nähe eigentlich nur noch meinen Lieblings-Griechen Limani und den Kultimbiss „Wurstbraterei“ aus dem Kölner Tatort.
Die große Terrasse des Joseph‘s, auf der man fast im Rhein sitzt, ist an diesem Abend denn auch knallvoll, und nicht nur an diesem. Nachvollziehbar ist das schon allein aufgrund der Lage. Auf der anderen Uferseite erstrecken sich die grünen Wiesen der Stadt – ein unverbaubarer Blick. In meinem Rücken steht der Dom; je nach Blickrichtung hat man das Wahrzeichen also vor Augen, wenn man möchte. Die Lage, da gibt es keinen Zweifel, hat Flair.
Geöffnet hat das Joseph’s fast täglich 12-15 Uhr und 18-24 Uhr. Nur samstags bleibt die Küche mittags geschlossen.
Die Qualität: Dinner à la carte im Test
Der Küchenchef bleibt seinem Versprechen treu: Ich habe Spaß an dieser modernen ZSMMN-Küche.
Der Vogerl-Salat, der natürlich ein Feldsalat ist, mit Kartoffeln, Speck und einem mild-sauren, sämigen Dressing, ist perfekt abgeschmeckt und wäre eine nette Lunch-Option bei sommerlichen Temperaturen.
Insgesamt ist die Karte überraschend leicht und bekömmlich, gemessen an der Provenienz der Speisen: Schlemmen für moderne Genießer und Gesundheitsbewusste. Kellner Johann rattert die Empfehlungen nicht nur runter, sondern weiß auch Geschichten über seine Speisen zu erzählen. Schön, wenn regionale Küche nicht nur als Etikett auf ein Restaurant geklebt, sondern auch mit Leben gefüllt wird.
Mein klassisches Wiener Schnitzel (25 Euro) ist geradezu perfekt: Extrem flach und mit etwas Luft unter der krossen Panade. Dazu gibt’s einen klassischen, österreichischen Kartoffel-Gurkensalat und die üblichen Preiselbeeren im Napf. Das Fleisch hat exzellente Qualität.
Der Steinbutt meiner Begleiterin, den ich ebenfalls probiere, ist aromatisch zwar noch relativ vertraut, von der traditionellen Zubereitungsart dann aber doch schon etwas weiter entfernt: die Kombination aus roter Beete und Spinatpüree ist überraschend und wird mit einem Vadouvanstreusel und einer Safran-Estragon fumée kontrastreich ergänzt. Ein sehr aromatisches Potpourri. Leider war die Rote Beete fast roh, was man mögen muss; Fisch und Spinat waren dagegen perfekt gegart.
Die Wein-Auswahl im Joseph’s ist großzügig: zwölf Weiße, darunter eine ausgesprochen gute Selektion von Grünen Veltlinern (u. a. Federspiel, Dedejo), deutsche Weißburgunder, ein Mosel-Riesling usw. Hinzu kommen ebenfalls zwölf rote, insgesamt also eine recht üppige Auswahl von 24 offenen Weinen im Ausschank.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis: Kein Schnäppchen, aber angemessen
Die Preise lassen sich am besten anhand von Klassikern wie dem Backhendl im Korb (20 Euro), geschmorte Rinderbäckchen (26 Euro) und dem weder österreichischen noch süddeutschen Züricher Geschnetzelten (26 Euro) messen. Wie auch die Desserts zwischen 8 und 12 Euro sind sämtliche Gerichte keine Schnäppchen, gemessen an Materialqualität, Aufwand und nicht zuletzt auch der prominenten Lage aber im grünen Bereich.
Ich bezahle am Ende für zwei Personen, also zwei Hauptgerichte mit zwei Gläsern Wein und einer geteilten Flasche Wasser, 80 Euro.
Im Maßstab betrachtet günstiger wird es mit dem Menü: entweder mit drei Gängen für 42 Euro oder mit 4 Gängen (dann inkl. Walisischem Lammrücken, der separat 17 Euro kostet) für 52 Euro. In dieser Konstellation z. B. auch für einen schönen Abend mit Gästen in tollem Rhein-Ambiente eine hervorragende Wahl.
Der Service: Ansteckend gut gelaunt
Der Service im Joseph’s hat sich entwickelt. Vor diesem Besuch hatte ich bereits zwei spontane Versuche unternommen. Dass ich damit keinen Erfolg hatte, ist ein gutes Zeichen für den Erfolg des Restaurants. Die arrogante, abweisende Art, mit der ich damals abgewiesen wurde, hätte mich allerdings von einem weiteren Besuch abgehalten – wäre ich nicht von einem Bekannten überredet worden.
Im Nachhinein bin ich froh, dass ich dem Joseph’s die dritte Chance gegeben habe: Dieses Mal werde ich nicht nur extrem freundlich begrüßt. Vom Moment meiner Ankunft an werde ich auch nur noch mit Name angesprochen, obwohl die Reservierung gar nicht auf mich läuft.
Johann, unser Kellner, ist eine echte rheinische Frohnatur, obwohl er aus Heidelberg ist. Als ich ihm ein Kompliment für seine ansteckende gute Laune an diesem Abend mache, verrät er mir, er sei immer so – sonst würde er mit Anfang 40 nicht mehr als Kellner arbeiten. Ihm gehe es gut, wenn er mit seinen Gästen zusammen sein darf, sagt Johann. Wenn nur alle Kellner dieser Welt seine Haltung teilen würden!
Johann zeigt mir nicht nur die Weinkarte – er bringt Flaschen vorbei, sinniert mit mir über die Charaktere der Lagen, lässt mich schnuppern, lässt mich kosten. Es macht einfach Spaß, bei ihm zu essen.
Ein langer Weg, den das Joseph’s von arrogant zu extrem freundlich gegangen ist – eine Entwicklung, über die ich mich als Service-Experte freut.
Das Fazit: Die Kalorien wert?
Süddeutsche und österreichische Küche, auf entspannte und leichte Weise umgesetzt, lautet das Versprechen des Eigentümers mir gegenüber. Wird es eingelöst? Das wird es! Ich habe Spaß an den dynamisch interpretierten Klassikern und werde satt, ohne Grenzen zu überschreiten – bei Essen dieser Herkunft oft eine Gratwanderung.
Der Karte fehlt für meinen Geschmack konzeptionell die letzte Konsequenz – entweder ösi-bayerisch ZSMMN, dann aber richtig, oder explizit international, wie einige Gerichte es bereits vorführen und Lust auf mehr machen. Einen schönen Abend bei ambitioniertem Essen und wirklich tollem Service habe ich im Joseph’s definitiv – und gerne wieder.
#Wertung
Die Bewertung erfolgt nach subjektiven und zugleich professionellen Gesichtspunkten aus meiner Perspektive als langjähriger Branchen-Insider anhand des Net Promoter Score auf einer Skala von 1 (unwahrscheinlich, dass ich das Unternehmen einem Freund oder Kollegen empfehlen würde) bis 10 (äußerst wahrscheinlich).