Lovelace Hotel München

Lovelace, München: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte

Im September 2017 hat in München das erste Pop-up-Hotel der Welt eröffnet – eine Sensation. Getoppt wird sie nur noch durch die Location – in der besten Lage Münchens. Wie konnte das passieren? Und wie gut ist das Konzept im Vergleich zur etablierten Konkurrenz direkt vor der Haustür? Hotelexperte Carsten K. Rath ist der erfolgreichen Disruption auf den Grund gegangen – und hat viel Erfreuliches entdeckt.

#Wertung

Service-Faktor
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Design-Faktor
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Herzlichkeits-Faktor
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Innovations-Faktor
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Kreativitäts-Faktor
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Nachhaltigkeits-Faktor
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Wohlfühl-Faktor
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Hardware-Faktor
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Gourmet-Faktor
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Usability-Faktor
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Die Bewertung erfolgt nach subjektiven und zugleich professionellen Gesichtspunkten aus meiner Perspektive als langjähriger Branchen-Insider anhand des Net Promoter Score auf einer Skala von 1 (unwahrscheinlich, dass ich das Unternehmen einem Freund oder Kollegen empfehlen würde) bis 10 (äußerst wahrscheinlich).

Dass die ewig gleichen Player am Hotelmarkt irgendwann Konkurrenz von disruptiven Konzepten bekommen, ist eigentlich naheliegend. Bisher fand diese Revolution eher auf dem Buchungsmarkt statt – die Online Travel Agents haben die Branche ordentlich durcheinandergewirbelt. Doch die Übernachtungshoheit der großen Ketten war dank Immobilienmonopol bisher weitgehend unangetastet.

Anfang 2017 traten mit Gregor Wöltje und Michi Kern zwei smarte Entrepreneure auf den Plan und taten das, was smarte Entrepreneure eben so tun: Sie sprangen in eine Lücke. Und so kam es, dass mit dem Lovelace in München noch im September desselben Jahres das erste Pop-up-Hotel der Welt nicht irgendwo eröffnete, sondern in Triple-A-Lage im ehemaligen Gebäude der Hypo-Vereinsbank – direkt hinter dem Bayerischen Hof am Promenadeplatz, im Herzen der Münchener Altstadt.

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Wie konnte das passieren? Wöltje und Kern waren die lachenden Dritten bei einem Disput zwischen zwei Granden der Grand Hotellerie. Alexandra Schörghuber und Innegrit Volkhardt haben zwei Dinge gemeinsam: einerseits ihre Liebe zur Hotellerie, andererseits das enorme Erbe, das beide angetreten haben. Die eine als Chefin der Schörghuber Immobiliengruppe von ihrem Mann, die andere als geschäftsführende Gesellschafterin des Bayerischen Hofs von ihrem Vater. Abgesehen davon und genau deswegen stehen sie in direkter, erbitterter Konkurrenz.

Die lachenden Dritten

Alexandra Schörghuber, heißt es, erwarb über eine ihrer Gesellschaften das ehemalige Gebäude der Hypo-Vereinsbank in Triple-A-Lage direkt hinter dem Bayerischen Hof mit weiteren anschließenden Gebäuden. Das kann Innegrit Volkhardt nur ein Dorn im Auge sein, denn die Konkurrenz lauert nun direkt vor der Haustür. Aus informierten Kreisen verlautete, dass für das Gebäude bereits ein Management-Vertrag mit der Rosewood-Gruppe existieren soll – Grund zur Sorge für den Bayerischen Hof. Denn die Rosewood-Gruppe ist mit ihren Hotels weltweit bekannt für exzellente Service-Standards, einzigartige Hardware, besonders große Zimmer – also exzellente Grand Hotellerie. Es war vorprogrammiert, dass es zum Rechtsstreit zwischen den beiden Grand Dames kommen würde – und so kam es auch. Bis der beendet ist, hätte das Juwel mitten in der Altstadt brachgelegen.

Lovelace Hotel München
Foto: Das Team - Cambis Sharegh, Michi Kern, Gregor Wöltje, Lissie Kieser, Alexander Lutz © LOVELACE GmbH

Und hier kommen Unternehmer Gregor Wöltje und sein Geschäftspartner, der Gastronom Michi Kern ins Spiel, die sich das Gebäude mit einem zeitlich begrenzten Pachtvertrag bis 2019 sicherten. Aus Sicht von Alexandra Schörghuber im doppelten Sinne ein cleverer Zug: Sie verdient eine gute Pacht mit einer Immobilie, die sonst leergestanden hätte. Und sie erschließt die Lage in direkter Nachbarschaft der Konkurrenz mit einem Hotelbetrieb, der schon mal für Schlagzeilen sorgt.

So begünstigte der Kampf zweier Giganten ein disruptives Geschäftsmodell. Bleibt die Frage: Hat ein solches Konzept überhaupt schon heute das Potenzial, die großen Player zu ärgern? Wird das ungewöhnliche Hotel im Epizentrum der Münchener Elite angenommen? Und wie steht es um die Qualität? Mit diesen Fragen im Kopf nahm ich das Hotel während der Münchener Filmfestspiele unter die Lupe.

Im Vorgarten der Aristokratie

Lovelace Hotel München
Foto: Beste Lage im Herzen der Münchener Altstadt © LOVELACE GmbH

Es gibt kein Hotel in München, dass das Lovelace nicht um seine Lage beneiden würde: Der Promenadeplatz im Herzen der Altstadt ist ein Epizentrum der Münchener Society. Viele der zentralen Sehenswürdigkeiten und wichtigsten Kulturstätten sind buchstäblich nur einen Katzensprung entfernt: Nordöstlich liegen der Hofgarten und die Bayerische Staatskanzlei. Zur Isar geht es entlang der Maximilianstraße. Rund um den Promenadeplatz in Laufweite oder maximal eine kurze Taxifahrt entfernt, befinden sich die wichtigsten Spielstätten der Film- und Theaterszene und die heißesten Adressen des Münchener Nachtlebens. Von all den Premium-Shoppingoptionen und Top-Restaurants der Altstadt ganz zu schweigen.

Bei einem Event wie den Münchener Filmfestspielen zeigt sich, was diese Lage wert ist: An solchen Tagen erzielt das Lovelace Durchschnittsraten von 350 Euro pro Nacht, sonst etwa 200. Und an Society-Events mangelt es München das ganze Jahr über wahrlich nicht.

Aber ist ein Pop-up-Hotel von Nicht-Hoteliers inmitten der besten Hotels der Stadt  diesen Preis überhaupt wert? Das Lovelace-Team mit seinem gemischten Background aus Gastronomie, Kunst, Mode, Nachhaltigkeit, Design, Fitness und Musik hat sich von dieser Frage zum Glück nicht hemmen lassen, als es das Konzept für das Lovelace entwickelt hat.

Wohnen im Vorstandsbüro

Lovelace Hotel München
Foto: Klassich elegant - das Lovelace befindet sich in dem Gebäude der ehemaligen Bayrischen Staatsbank © LOVELACE GmbH

Von außen sieht das Lovelace aus wie – ein Grand Hotel eben. Das Gebäude der ehemaligen Bayerischen Staatsbank, direkt neben dem Eingang der Fünf Höfe, ist von derselben klassischen Eleganz wie der Bayerische Hof gegenüber. Der Name Lovelace ist eine Anspielung auf die englische Mathematikerin Ada Lovelace aus dem 19. Jahrhundert. Die Tochter von Lord Byron legte mit ihrer Arbeit nicht weniger als den Grundstein für spätere Programmiersprachen und wird von manchen als die erste Programmiererin der Welt betrachtet. Eine Disruptorin ihrer Zeit also.

Genauso überraschend wie ihre Vita ist auch der erste Blick in die Lobby des Lovelace. Der schwere Marmor des Original-Treppenhauses und das gläserne Atrium, wie der Großteil des Gebäudes 2004 eingebaut, werden mit dem maximalen Kontrastprogramm konterkariert: Die Einrichtung ist nur als ironisch zu beschreiben. Hier ist alles Pop, bunt, Hightech: Graffiti-Kunst, überdimensionale Neon-Schriftzüge, knallige Designer-Möbel. Schwarze Tapeten mit floralen Mustern, die sich Oscar Wilde auf einem Opium-Trip ausgedacht zu haben scheint. Knallrote Akzente, minimalistische Sitzecken wie aus einem Bistro, ein integrierter Pop-up-Store mit Kunstbüchern. Minimalismus ist anders – Münchener Prunk erst recht.

Lovelace Hotel München
Foto: Weder Minimalismus, noch Münchener Prunk - im Lovelace ist alles Pop, bunt, Hightech © LOVELACE GmbH

Das Lovelace verfügt nur über 30 Zimmer, darunter fünf Suiten und ein Apartment. Mein Zimmer mit der Nummer 104 ist das ehemalige Büro des Vorstandsvorsitzenden der Hypo-Vereinsbank, Albrecht Schmidt. Ein halbrundes Eckzimmer mit feinstem Parkett, bodentiefen Fenstern und einer schätzungsweise viereinhalb Meter hohen Decke. Die Einrichtung ist reduziert, aber hochwertig. Vor allem das Bett und die Wäsche von Mühldörfer sind großartig.

Im obersten Stockwerk gibt es nicht nur eine Bar und die wunderschönen Putten des alten Gebäudes zu bewundern, sondern auch – einen Boxstall. Der Pächter hat die Räumlichkeit an den Boxtrainer untervermietet. Man könnte das als absurd abtun. Oder man erkennt es als cooles Feature, denn ein Conversation Piece ist dieses Add-on allemal. So ticken junge Entrepreneure: Keine Synergie ist zu abwegig. Der Boxstall läuft wie geschnitten Brot – alle Kurse sind ausgebucht.

Lovelace Hotel München
Foto: Feinstes Parkett, bodentiefen Fenster und hohe Decken © LOVELACE GmbH

Fehlt es dem Lovelace, vor allem gemessen an den Preisen, an klassischen Ausstattungsmerkmalen eines Grand Hotels? Klar. Fine Dining und einen Spa sucht man hier vergebens. Der Aufwand hätte für anderthalb Jahre Betriebsdauer einfach keinen Sinn gemacht. Brandwände, Bäder und andere Einbauten waren aufwändig genug, wie mir Gregor Wöltje berichtet, der eigentlich Architekt ist. Aber mal ehrlich: Wir sind in der Altstadt von München. Hier verhungert keiner ohne Not. Eher wird es langweilig in all dem Überfluss – im Lovelace aber nicht. Statt Spa gibt es einen Barbershop. Und für Abwechslung sorgen Pop-up-Stores und tägliches Kulturprogramm von Konzerten über Lesungen bis Ausstellungen – und viele Firmenevents. Das Lovelace versteht sich eben nicht als Hotel, sondern als Happening; die Events tragen massiv zum Umsatz bei.

Service für das 21. Jahrhundert

Lovelace Hotel München
Foto: Mehrere Pop-up-Stores vervollständigen das Angebot des Lovelace, z.B. das Barber House © LOVELACE GmbH

Die Macher des Lovelace haben erkannt, dass die Hotelkonzepte der Zukunft sich vor allem über ihren Service definieren werden. Pop-up-Hotels sind per Definition vergänglich. Das ist nicht unbedingt ein Nachteil der Idee: Was ist ein Hotelaufenthalt, wenn nicht eine Momentaufnahme im Leben der Gäste? Die Hardware kommt angesichts der Vergänglichkeit nicht ohne Improvisation und Kompromisse aus. Hier könnte ein Nachteil gegenüber den etablierten Hotels mit Top-Ausstattung liegen – theoretisch. Doch das ist ein Nachteil, der sich gerade im digitalen Zeitalter mit exzellentem, innovativem Service ausgleichen lässt. Und genau der bestimmt die Qualität der Momentaufnahme Hotelaufenthalt. Würden nur mehr Hotels das erkennen.

Lovelace Hotel München
Foto: Gastfreundschaft auf Augenhöhe mit Mitarbeitern, die exzellenten und innovativem Service leben, machen den Unterschied im Lovelace © Thomas Kiewning

Und in diesem entscheidenden Punkt macht das Lovelace alles richtig. Rezeptionist Mike begrüßt mich wie einen verlorenen Freund. Sofort springt er hinter dem Tresen hervor, sofort ist sein Arm auf meiner Schulter, sofort Kontakt. „Wir haben uns schon auf Sie gefreut!“, strahlt er mich gut gelaunt an. „Darf ich Sie erst mal durchs Haus führen? Das müssen Sie gesehen haben. Und dann bringe ich Sie gleich auf Ihr Zimmer.“ Kein kompliziertes bürokratisches Prozedere. Kein „Zimmernummer?“-Terror. Kein Durchreichen von Mitarbeiter zu Mitarbeiter. Mike macht alles selbst. Mike kümmert sich um mich. Ich bin jetzt nämlich Mikes Gast. So läuft das hier.

Und genauso soll das auch laufen: „Die Mitarbeiter sind ultra-wichtig“, sagt Gregor Wöltje. „Die Idee allein rechtfertigt den Umsatz nicht.“ Liebe Grand Hoteliers: Kümmert euch um eure Mitarbeiter. Denn sie kümmern sich um eure Gäste. Wer einmal so begrüßt und betreut wurde wie im Lovelace, der hat keinen Bock mehr auf meterhohe Tresen und schlechte gelaunte Rezeptionisten, die am Bildschirm kleben.

Für dieses Hotel sind keine Tiere gestorben

Lovelace Hotel Mpnchen
Foto: 3 Bars bieten viel Fläche für tolle Events © LOVELACE GmbH

Nach dem Checkin gehe ich in die Bar – und dort empfängt mich Rebecca, die Gastro-Leiterin des Hauses. Sie braucht, ähnlich wie Mike, ungefähr 0,5 Sekunden, um Gastfreundschaft auf Augenhöhe aufzubauen. Rebecca schenkt mir nämlich erst mal ein Glas Wein ein – aufs Haus –, setzt sich zu mir und bringt mich ins Plaudern. Eine echte Gastgeberin. So etwas ist mir schon lange in keinem 5-Sterne-Hotel mehr passiert.

Neben dieser Bar in der Lobby gibt es im oberen Stockwerk eine großzügige Event-Bar, in der es sich auch mit 500 Gästen ausschweifend feiern lässt. Zu ihr gehört auch eine angeschlossene kleine Rooftop-Bar über den Dächern der Altstadt.

Lovelace Hotel München
Foto: Saturday Night Love - die Eröffnungsfeier des ersten Pop-up-Hotels der Welt © Thomas Kiewning

Der Frühstücksservice ist leider eine kleine Enttäuschung. Die etwas rustikal agierende russische junge Dame, die hier an diesem Tag regiert, passt so gar nicht zur charmanten, herzlichen Art des restlichen Teams. Eine Aushilfe? Auf meine Frage, ob ich Eier bestellen könne, weist sie mich moralinsauer zurecht: Das sei hier ein veganes Hotel, und damit müsse ich mich schon arrangieren. Das kann man auch anders sagen. Ganz Unrecht hat sie allerdings nicht: Wer hier eincheckt, kann und sollte vorher wissen, dass er für seine Hax‘n woanders einkehren muss. Und die veganen Gerichte im Lovelace, nicht nur beim Frühstück, sind exzellent. Luxus ist eine Frage der Wahlfreiheit.

Die werden die Gäste auch in der Hotellerie in Zukunft verstärkt haben. Dass das weltweit erste Pop-up-Hotel nicht in New York oder Singapur steht, sondern in München, ist für mich ein begrüßenswertes Zeichen, auch wenn es manchen Hotelier nervös machen wird. Ich freue mich auf das neue Grand Hotel, das in diesem Haus entstehen wird, genauso wie auf den nächsten Pop-up-Disruptor. Konkurrenz belebt das Geschäft.

Raths Experten-Tipps für München

München
  • Dining: Das Restaurant Mural hinter dem Street-Art-Museum ist ein abgedrehter Tempel von Gastro-Freaks, in dem das Essen genauso innovativ ist wie die Deko. Und grandios.  
  • Fitness: Wer im Boxstall abblitzt, nimmt den steilen Anstieg auf den Olympiaberg in Angriff. Der beste Ausblick über München, bei gutem Wetter mit Alpenblick. 
  • Sightseeing: Wer München am Puls der Einwohner erkunden will, steigt einfach in die Tram-Linie 19. Ab Pasing fährt sie viele beliebte Attraktionen ab – bequem und flexibel.

Fazit: Experiment mit Hit-Potenzial

Reden wir Tacheles: Kann das Lovelace einem etablierten Grand Hotel, das alles richtig macht, das Wasser reichen? Nein, oder sagen wir: noch nicht. Aber wie viele Grand Hotels machen schon alles richtig? Der Weg in die Zukunft wird in der Hotellerie über den Service definiert. Hier wagt das Lovelace zwar, anders als bei Ausstattung und Gastronomie, keine großen Experimente. Dafür besinnt es sich aber auf zeitgemäße Weise auf eine Tugend, die vielen traditionellen Kettenhotels abhandengekommen ist: herzlichen, durchdachten und extrem umsichtigen Service auf Augenhöhe – jugendlich und charmant. Hier ist man noch, nein, wieder Gast im eigentlichen Sinne des Wortes. Das schräge Ambiente mag Traditionalisten nervöse Zuckungen entlocken. Für moderne Kosmopoliten und die vielen Kreativen, die hier einkehren, ist es ein Heidenspaß. Das Lovelace ist kein perfektes Hotel. Doch ein Pop-up-Hotel ist nun mal ein Experiment. Gemessen an der Auslastung des Lovelace eines, das aufgeht. Achtung, alte Granden: Dieser Pächter ist nur der Anfang der Disruption, die da kommen wird.


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