Große Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Das JW Marriott steht eigentlich auf einer Stufe mit den Ritz-Carlton-Häusern oder den St. Regis Hotels. In Frankfurt ist das aber offensichtlich nicht der Fall, urteilt der Handelsblatt-Hotelexperte.

Blick auf die Frankfurter Skyline: Die Zimmer sind in Ordnung, allerdings ein wenig in die Jahre gekommen. (Foto: JW Marriott)

Die großen Hotelgesellschaften kreieren oder kaufen immer mehr Marken. So soll dem Gast mehr Auswahl und eine bessere Orientierung gegeben werden. Aus meiner Sicht macht das die Sache aber nur komplizierter. Schlagworte wie Luxus, Scale, Distinctive, Upscale, Upper Upscale, Premium oder Lean Luxury und so weiter sind schlussendlich leere Worthülsen, Marketinggags ohne Substanz. So gut wie niemand weiß mehr, was genau dahintersteckt.

Für die allermeisten Gäste jedenfalls sind dies nur noch böhmische Dörfer. Hotelgesellschaften machen hier vermeintliche Trennschärfen auf, wo in Wahrheit die Grenzen eher verschwimmen. So werden Erwartungen geweckt – die dann oft in Enttäuschung enden. So erging es mir unlängst im JW Marriott Hotel in Frankfurt am Main.

Die JW Hotels gehören zu den Luxusmarken von Marriott, wie etwa die St. Regis Hotels oder die Ritz-Carlton Hotels. Eine Kategorie darunter, im Premium, rangieren Le Méridien, Westin, Autograph Collection Hotels oder die „normalen“ Marriott Hotels. Im JW bin ich also in einem Luxushotel. Das Versprechen des Hotels auf der Webseite ist groß: Luxushotel mit Spa, Erholungsoase, Mindfulness und einiges mehr.

JW Marriott Frankfurt: Nicht das, was man von einem Luxushotel erwartet

Bei meiner Ankunft ist kein Doorman da, der in einem Hotel dieser Kategorie einfach dazugehört. Ich parke mein Auto also selbst und lade auch mein Gepäck selbst aus. Die Concierge begrüßt mich nicht, als ich in die Lobby komme, sie scheint mit etwas anderem beschäftigt zu sein. Dafür geht der Check-in sehr schnell und unkompliziert, alles ist vorbereitet. Ich bekomme sogar ein Wasser, einen Tee und ein warmes Tuch angeboten.

Danach werde ich allerdings nur zum Aufzug und nicht bis ins Zimmer begleitet. In einem Luxushotel gehört dies normalerweise zum Standard. Um 18.55 Uhr gehe ich ins Restaurant – übrigens das einzige im Hotel, auch nicht unbedingt Standard in einem Luxushotel. Es ist ein schönes Restaurant, doch leider treffe ich dort niemanden an.

Vorfahrt am JW Marriott: Bei der Ankunft ist kein Doorman da, der in einem Hotel dieser Kategorie einfach dazugehört. (Foto: JW Marriott)

Ich beschließe also, erst einmal das groß angekündigte Spa zu besuchen. Doch es hat geschlossen. Niemand hatte mich darauf hingewiesen, spätestens beim Check-in wäre dazu Gelegenheit gewesen. Spa, Wellness, Mindfulness – nichts davon kann ich genießen. Wann, wenn nicht am Wochenende, nutzt man schon den Spa!

Nächster Versuch, der Fitnessbereich. Auf dem Weg dorthin komme ich an einer Reihe offen stehender Lagerraumtüren vorbei. Komisch. Dann die Überraschung: Der Fitnessbereich ist kein Fitnessbereich, sondern ein Fitnessstudio. Ich bin in einem Fitness First gelandet. Hier ist die Auswahl an Geräten riesig, definitiv ein Pluspunkt. Allerdings ist es eben auch nicht das Versprechen von JW Marriott. Im Fitnessbereich eines Luxushotels erwarte ich einen Ansprechpartner. Den gibt es hier aber nicht.

Carsten K. Rath in Frankfurt: Das JW Marriott ist ein Luxushotel?

Die Zimmer sind ordentlich, wenn auch etwas in die Jahre gekommen, das Holz ist zum Teil abgeschabt, das sollte man aufarbeiten. Es ist Parkettboden verlegt, es gibt eine Kaffeemaschine und einen wirklich sehr guten Arbeitsbereich. Die Minibar mit Bier, Cola, Wasser und Säften ist inklusive. Auch das Bad ist in Ordnung, Dusche und Badewanne sind getrennt.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Schlecht ist das alles nicht, es ist nett und schön hier, ein sehr gutes 4,5- bis Fünf-Sterne-Businesshotel. Aber mit Luxus hat es eben nichts zu tun. Um 18.30 Uhr klingelt der Turndown-Service. Ich bitte die Dame, etwas später wiederzukommen, doch das passiert dann gar nicht mehr.

Das JW Marriott hätte in Frankfurt viele Möglichkeiten

Der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist hier sehr groß. Das ist schade, denn es wäre alles angerichtet für das JW in Frankfurt, wo es aus meiner Sicht kein einziges wirklich exzellentes Hotel gibt. Alle warten hier auf die Rückkehr der deutschen Luxushotelmarke Althoff. Im kommenden Jahr soll die Villa Kennedy nach Umbauphase als Urban Resort von Althoff wiedereröffnet werden. Dann hätte Frankfurt endlich ein Flaggschiffhotel.

Schönes Restaurant: Es ist das einzige im Marriott. Um 18.55 Uhr traf unser Tester dort allerdings niemanden an. (Foto: Carsten K. Rath)

Es ist fast ein bisschen tragisch in dieser Stadt: jede Menge Businesshotels, aber kein Luxushaus. Böse Zungen behaupten ja, der Nassauer Hof in Wiesbaden sei das beste Hotel Frankfurts, diese Auffassung teile ich. Und auch das Kempinski Hotel in Gravenbruch vermarktet sich als Frankfurter Hotel, obwohl es schon recht weit außerhalb liegt, eher bei Offenbach.

Noch eine Bemerkung zum Frühstück. Es ist ein bisschen wie überall in den Businesshotels. Alles sehr ähnlich: Marmelade und Butter sind abgepackt, es ist frisches Obst vorhanden, aber ohne frische Beeren. Dafür sehe ich eine arabische Ecke, die mir gut gefällt. Für mich völlig unverständlich ist die Tatsache, dass das Frühstück nicht im Zimmerpreis inbegriffen ist. So stelle ich mir einem Aufenthalt für 319 Euro pro Nacht nicht vor. Das ist befremdlich.

Die Frage nach der Zimmernummer

Beim Check-out entspinnt sich folgendes Gespräch: „Wie ist Ihre Zimmernummer?“ „Oh, die habe ich vergessen, aber mein Name ist Rath.“ „Und Ihre Zimmernummer?“ „Wie gesagt, die habe ich vergessen, aber Sie stehen doch vor dem Computer und können meinem Namen eingeben.“ „Ja, aber die Zimmernummer macht es mir leichter.“ Ein Unding für ein Hotel dieser Kategorie. Muss ich noch erwähnen, dass auch beim Check-out weder ein Doorman noch ein Bellboy oder ein Page da sind, um mir mit dem Gepäck zu helfen? Zugegeben, es ist kurz vor sechs Uhr morgens, aber das alles ist eben nicht die Serviceleistung, die ich in einem Luxushotel erwarte.
Frankfurter Skyline: Aus Sicht unseres Testers gibt es in der Bankenstadt kein einziges wirklich exzellentes Hotel. (Foto: JW Marriott)

Dieses JW Marriott ist aus meiner Sicht wie jedes andere Marriott Hotel auch, es wurde nur das JW davorgesetzt. Dass man sich als Spa-Hotel bezeichnet, erschließt sich mir überhaupt nicht. Vielleicht ist der Spa-Bereich ja wirklich toll, aber er war eben leider geschlossen. Der Zimmerpreis blieb übrigens trotzdem gleich.

Fazit: Das JW Marriott hätte alle Möglichkeiten in Frankfurt, die Lage mitten im Finanzviertel ist perfekt und die beliebte Einkaufsstraße Zeil nicht weit entfernt. Doch das Hotel erfüllt nicht die Erwartungen, die man an ein Luxushotel hat. Außerdem würde ich mir etwas mehr Warmherzigkeit und Lokalkolorit wünschen statt der üblichen kühlen Corporate Culture. Von der angeblichen Mindfulness kann ich hier wenig erkennen. Never mind.

Raths Reise-Rating (aktuelle Wertung gefettet)

1. Ausdrückliche Reisewarnung
2. Besser als unter der Brücke
3. So lala, nicht oh, là, là
4. Meckern auf hohem Niveau
5. Wenn’s nur immer so wäre
6. Ganz großes Kino

Insidertipps

Einkaufen Die Zeil ist DIE Einkaufsstraße in Frankfurt, eine der umsatzstärksten in Deutschland. Hier findet man alles, was man benötigt. Wer lieber bummeln geht und kleine Geschäft erkunden möchte, sollte ins Stadtviertel Sachsenhausen fahren. Es liegt noch im Altstadtbereich direkt am Main. Hier gibt es viele Apfelweinwirtschaften und viele nette kleine Läden.

Joggingstrecke Die beste Lauftrecke in Frankfurt ist ganz klar am Mainufer. Natürlich ist hier vor allem morgens vor der Arbeit viel los. Aber ich habe hier sogar schon nachts um elf Uhr Banker bei ihrer After-Work-Runde gesehen.

Restaurant Begeistert war ich vom Moriki. Im Restaurant des Berliner Küchenchefs Duc Ngo trifft das moderne Asien auf traditionelle japanische Einflüsse.

Kultur Für mich ist Frankfurt die Stadt mit den großartigsten Museen. Rund 60 gibt es, allen voran natürlich die Schirn Kunsthalle und das Städel Museum – jedes Mal wieder einen Besuch wert.

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