Berlin und München: Wenn die jungen Wilden den Etablierten den Rang ablaufen

Das Berliner Telegraphenamt und das Do&Co München überzeugen – und sind ein Weckruf an die etablierte Fünf-Sterne-Stadthotellerie.

Foyer des Telegraphenamts - Neue Hotels wie das Telegraphenamt in Berlin und das Do&Co in München zeigen den alteingesessenen Sternehotels, wie Luxus heute geschrieben wird. (Foto: Florian Groehn)

Ein Hotel von einem Gastronomen in einem denkmalgeschützten Telegraphenamt und ein Hotel mit Fußball-Hintergrund. Ein Bruch der Traditionen, der im Münchener Do&Co und im Berliner Telegraphenamt richtig Spaß macht. Die beiden äußerst modernen Häuser lassen die etablierten, selbst ernannten Grandhotels in Berlin und München ziemlich alt aussehen. Warum das so ist, habe ich mir vor Ort angesehen und gleich ein paar Insidertipps für die moderne Hotellerie aufgespürt.

Beginnen wir mit meinem Besuch in Berlin, im Hotel Telegraphenamt. Das denkmalgeschützte Gebäude im Stadtteil Mitte, direkt am Monbijoupark, war einst tatsächlich das Telegraphenamt. Von 1910 bis 1916 wurde das Haus erbaut. Über ein rund 400 Kilometer langes, unterirdisches Rohrpostnetz verschickte man von hier Nachrichten durch die Stadt.

Für die Sanierung hingegen benötigte man ganze zehn Jahre. Das mag einen ausgerechnet in Berlin nicht weiter verwundern, tatsächlich lag die lange Bauzeit aber vor allem an den hohen Auflagen des Denkmalschutzes. Es muss ein positiv „Verrückter“ sein, der sich den Umbau solch eines Gebäudes antut. In diesem Fall war es nicht einmal ein Hotelier.

Gastronom Roland Mary brachte schon zum zweiten Mal den Mut zu einem Mammutprojekt auf. Bereits kurz nach der Wende, 1992, eröffnete er unweit des Gendarmenmarkts im Ostteil der Stadt ein ziemlich großes Restaurant im französischen Stil. In kurzer Zeit wurde das Borchardt zu dem Promi-Treffpunkt in Berlin. Bis heute kommen namhafte Politiker, internationale Schauspieler, Künstler und all jene, die sich in ihrem Glanz sonnen wollen, hierher zum Essen.

Mabel’s Place - Die Suite bietet auf zwei Etagen eine Wohnfläche von 100 Quadratmetern. (Foto: Florian Groehn)

Ich war schon immer begeistert vom Borchardt, was vor allem am Gastgeber Roland Mary liegt, der das Restaurant zu einer Institution in Berlin machte. Dass er jetzt aber auch ein Hotel eröffnet, schien mir doch äußerst gewagt. Doch das Telegraphenamt ist geworden, was Berlin bisher gefehlt hat. Es hat die Coolness des Soho Houses, die Qualität des Rocco Forte und die Promidichte des Adlons.

Dazu kommt etwas, was die anderen Häuser alle nicht zu bieten haben: eine exzellente Gastronomie. Das Restaurant Roots wurde bereits ausgezeichnet, ein zweites kommt bald hinzu, und auch die Bar kann sich sehen lassen. Typisch Berlin: der Geheimklub im Keller. Die Rohrpost-Bar öffnet nur, wenn Barmann und Eigentümer es für angebracht halten. Hier sitzt man dann direkt zwischen den alten Rohren und den Maschinen, die den Unterdruck für ebenjene Rohre erzeugten. Führung inklusive – und das in Berlin!

Ziemlich clevere Ideen in den Zimmern

Aber ich will dem Frieden noch nicht recht trauen und suche in meinem Zimmer nach Fehlern. Ein guter Gastronom kann nicht auch noch ein guter Hotelier sein, oder? Was ich finde, ist Stahl, fein bearbeitetes Holz, getönte Spiegel, perfektes Licht, außergewöhnliche Deckenhöhen, schwere Leinengardinen, die das Zimmer verdunkeln können, und Dreifachfenster, die den Lärm der Großstadt außen vor lassen. Nichts fehlt.

Im Gegenteil, es gibt sogar ziemlich clevere Ideen. Der Fernseher ist so i Schrank integriert, dass man nicht immer auf den schwarzen Bildschirm starren muss. Und der Schrank im Badezimmer ist eine Art Durchreiche zum Kleiderschrank. Ich komme also von zwei Seiten an meine Garderobe. Das ist intelligent, praktisch und mit einem Zimmerpreis von rund 240 Euro mehr als im Rahmen. Kurz und gut, das Telegraphenamt ist für mich das neue Highlight in Berlin.

Ausblick auf den Fernsehturm - Schwere Leinengardinen und dreifach verglaste Fenster lassen den Lärm der Großstadt außen vor. (Foto: Florian Groehn)

Ursprünglich wollte ich an dieser Stelle noch das neue Berliner Chateau Royal Hotel vorstellen, die zweite Herberge in Berlin vom anderen Promi-Restaurant der Stadt, dem Grill Royal. Doch nach der Hausführung des Chateau-Royal-Eigentümers, der mir äußerst wenig Gastfreundschaft entgegenbrachte, waren meine Erwartungen an den Service im Hotel so gering, dass ich mich dagegen entschieden habe.

Ganz anders im Telegraphenamt. Hier wird Gastgebertum mit Leidenschaft gelebt. Der Eigentümer legt eine Haltung an den Tag, die man selten findet und mit der das Produkt jeden Tag noch ein wenig besser wird. Aktiv fragt er nach Verbesserungsmöglichkeiten und schreibt sie sich auf. Ganz eindeutig sieht Mary die Gästekommentare als kostenlose Unternehmensberatung.

Fazit: Das Telegraphenamt wäre auch in London, Paris oder New York erfolgreich, weil es einfach die richtigen Zutaten mitbringt. Für mich gibt es keinen Grund mehr, in einem der etablierten Hotels zu wohnen. Häuser wie beispielsweise das Adlon haben aus meiner Sicht einen enormen Renovierungsstau, und irgendwie ist ihr Stern verblasst. Im Telegraphenamt erlebt man moderne, zeitgemäße Gastfreundschaft. Luxus wird hier gänzlich anders geschrieben als in der etablierten Luxushotellerie. Und das ist gut so.

Bar Root - Auch hier ist die frühere Bestimmung des Telegraphenamts noch deutlich erlebbar. (Foto: Florian Groehn)

Raths Reise-Rating (aktuelle Wertung gefettet):

1. Ausdrückliche Reisewarnung
2. Besser als unter der Brücke
3. So lala, nicht oh, là, là
4. Meckern auf hohem Niveau
5. Wenn’s nur immer so wäre
6. Ganz großes Kino

Insidertipps

Restaurant: Nach Promis Ausschau halten und dazu ein besonders gutes Schnitzel genießen – das geht im Borchardt an der Französischen Straße sehr gut. Hier sollte man wirklich einmal gewesen sein.

Joggingstrecke: Vom Telegraphenamt sind es nur 150 Meter an die Spree. Am besten läuft man Richtung Westen am Ufer entlang, so kommt man einmal mitten durch die Innenstadt und sogar am Bundeskanzleramt vorbei.

Zentrale Lage - Das Do&Co Hotel liegt in der Innenstadt zwischen Frauenkirche und Marienplatz. (Foto: Lars Kliemann)

Das zweite „junge” Hotel, das ich besuche, ist das Do&Co Hotel in München. Der FC Bayern München hat das Gebäude in der Münchener Innenstadt gemietet, seinen zweistöckigen Flagshipstore dort eröffnet und den Rest der Fläche an das Do&Co Hotel vermietet. Mir als Nicht-Fußballfan erscheint das recht gewagt. In jedem Fall aber ist es ungewöhnlich.

Schon die Anfahrt gestaltet sich besonders, denn das Do&Co liegt derart zentral zwischen Frauenkirche und Marienplatz, dass es bereits Teil der Fußgängerzone ist und nur mit einer entsprechenden Genehmigung mit dem Auto angefahren werden darf.

Beim Betreten des Hotels habe ich die Wahl: vorn rein, mitten durch die riesige FC Bayern-Welt oder entspannt durch den fußballfreien Seiteneingang. Der Check-in funktioniert reibungslos – und mit Namensansprache. Das ist anders als in dem ein oder anderen etablierten, selbsternannten Münchener Grandhotel, wo mir immer wieder die völlig unsinnige Frage nach meiner Zimmernummer gestellt wurde, stereotyp und ohne Nutzen, obwohl die Mitarbeiter genug Zeit hatten, sich den Namen einzuprägen.

Junior Suite - Viel Leder, Holz, Marmor und indirektes Licht bestimmen die Optik. (Foto: Lars Kliemann)

Glücklicherweise ist das Hotel keine flächendeckende Hommage an den Fußballklub geworden. Abgesehen von der Tatsache, dass man es durch ein rot-weißes Meer betreten kann, jedoch nicht muss, gibt es im Haus nur ein paar Anspielungen auf den Vermieter: An den Nummern der 31 Zimmer sind Hinweise auf die – bis zur Eröffnung des Hotels im Jahr 2021 – 31 Meisterschaftssiege des Vereins. Außerdem liegen in den Zimmern das Bayern- und andere Fußballmagazine aus.

Die Einrichtung des Boutiquehotels ist stilvoll: breite Dielen, Holzparkett, viel Leder, Holz und Marmor, die Decken sind hoch, die Betten gut, und das Licht ist angenehm indirekt. Die ebenerdig begehbare Dusche im Badezimmer misst sicherlich vier Quadratmeter, und die Ameneties von Etro passen perfekt zur jungen, modernen Optik. Dass dieses Hotel keine fünf Sterne hat, liegt allein an den Kategorisierungsrichtlinien. Mein Erlebnis ist wesentlich besser als das in so manchem Fünfsternehotel Münchens.

Restaurant im Obergeschoss - Zum stilvollen Ambiente passt der stets freundliche und immer persönliche Service. (Foto: Lars Kliemann)

Das gastronomische Angebot überzeugt mich komplett. Der General Manager vom Do&Co, Thomas Igel, ist eben genau wie Roland Mary ein Gastronom, und die Gastronomie ist der Nukleus aller guten Hotels und umgekehrt. Im Restaurant im Obergeschoss können die Gäste dank einer offenen Küche bei der Zubereitung von Sushi und anderen asiatischen Gerichten den Köchen auf die Finger schauen. Ich war hier an zwei Abenden essen und beide Male war das Restaurant voller Leben.

Zum stilvollen Äußeren passt glücklicherweise auch der Service, er ist stets freundlich, immer persönlich. Es ist ein gut eingespieltes, authentisches Team, das hier zusammenarbeitet. Nur eines geht mir gegen den Strich: Im doch recht happigen Zimmerpreis von mehr als 350 Euro pro Nacht ist das Frühstück nicht inbegriffen. Das finde ich unverhältnismäßig.

Offene Küche - Bei der Zubereitung der Speisen lassen sich die Köche auf die Finger schauen. (Foto: Carsten K. Rath)

Fazit: Ein cooles Hotel mit sehr guter Gastronomie, herzlichen Mitarbeitern und einem stilvollen Interieur. Das Do&Co ist ebenso wie das Berliner Telegraphenamt ein Weckruf an die etablierte Stadthotellerie. Diese Konzepte werden Schule machen, hoffe ich, vor allem für die Gäste.

Raths Reise-Rating (aktuelle Wertung gefettet):

1. Ausdrückliche Reisewarnung
2. Besser als unter der Brücke
3. So lala, nicht oh, là, là
4. Meckern auf hohem Niveau
5. Wenn’s nur immer so wäre
6. Ganz großes Kino

Insidertipps

Restaurant: Ein einmaliges Erlebnis ist ein Dinner auf der Dachterrasse des Mandarin Oriental Munich, im Mahjong Roof Garden. Moderne asiatische Küche wird hier vor der Kulisse der Münchener Frauentürme und der Alpengipfel serviert.

Joggingstrecke: Wenn man in München ist, MUSS man quasi an der Isar entlangjoggen. Am besten vom Hotel zum Müllerschen Volksbad und dann vorbei am Deutschen Museum bis zum Flaucher. Natur pur mitten in der Großstadt.

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