Ein Highlight ändert nichts: Das Stuttgarter Graf Zeppelin bietet in kaum einem Bereich das für ein Luxushotel angemessene Gasterlebnis.
Wenn man sich durch den Verkehrsmoloch Stuttgart bis ins Zentrum der Stadt gekämpft und die schlecht ausgeschilderte Abfahrt zum Hotel gefunden hat, steht man schließlich vor der Tür des Steigenberger Graf Zeppelin. Der Page des Fünfsternehauses grüßt freundlich, stellt sich mir als Hassan vor und kümmert sich umgehend um mein Gepäck. Er wird mein Highlight bei diesem Besuch bleiben.
Hassan begleitet mich nach dem schnöden Check-in bis zu meinem Zimmer, ist höflich und spricht mich mehrmals mit Namen an – im Gegensatz zu den sonstigen Mitarbeitern. Von Herzlichkeit keine Spur. Wirklich willkommen fühle ich mich nicht.
Das Graf Zeppelin liegt nur knappe 800 Meter vom Schlossplatz entfernt, bis zur Königstraße sind es kaum drei Minuten zu Fuß. Der hier versprühte Charme ist allerdings nicht ganz so blaublütig. Das Graf Zeppelin wirkt sehr in die Jahre gekommen. Zwar in bester Lage gegenüber der ewigen Baustelle des Bahnhofs 21 gelegen, ist das Haus in fast allen Bereichen nicht up to date.
Steigenberger Graf Zeppelin Stuttgart enttäuscht im Hoteltest
Als ich das Zimmer erreiche, bin ich entsetzt. Kleiner kann ein Zimmer eines Fünfsternehotels wohl nicht sein. Noch dazu sieht es eher wie in einer Möbelausstellung aus: zwei Sessel, ein Stuhl, ein Beistelltisch, ein Schreibtisch sowie ein massiver Block, in dem Minibar, Fernseher und Gläser untergebracht sind. Komplettiert wird das Ensemble von einem sehr flach gehaltenen Bett, wie man es aus den 80er- oder frühen 90er-Jahren kennt, einem altbackenen Streifenfußboden und einer angeschlagenen Tür.
Steigenberger hatte schon immer einen Hang zum Namen. Der altehrwürdige Hotelname Steigenberger wurde nach einem Verkauf des Familienunternehmens in das Sprachen-Durcheinander „Deutsche Hospitality“ umgewandelt. Seit einiger Zeit führen die besseren Hotels der Kette zusätzlich den Namen „Icon“, was sich mir als Kunde nicht erschließt. Es hilft nicht, die Qualität zu steigern. Aus meiner Sicht ist es ein reiner Marketinggag.
Ist dieses Hotel hier eines der besseren der Kette? Ich mache einen kurzen Abstecher ins Fitnessstudio, das einen ordentlichen Eindruck macht. Hier kann man nicht meckern. Die Geräte sind gut, der balihafte Fußboden unterstützt eine angenehme Trainingsatmosphäre. Auch Sauna und Dampfbad sind okay, aber eben auch nicht mehr. In der Umkleide ist es mit meinem Gefühl von Wellness bereits wieder vorbei. Der Boden ist grob gekachelt und erinnert mich an das Schwimmbad meiner Schulzeit.
Auf dem Weg zurück zum Zimmer statte ich der Bar einen Besuch ab. Ein sehr erfahrener Barkeeper, der den kompletten Service organisiert und auch selbst tatkräftig mithilft, vermittelt mir einen positiven Eindruck. Er ist einer, der durch Erfahrung, Freundlichkeit und seine Aufmerksamkeit heraussticht. Wenn alle Mitarbeiter hier so wären, hätte ich mich wohlgefühlt.
Kein einziges gutes Hotel in der Landeshauptstadt
Mein Blick fällt bei meinem Gang zurück aufs Zimmer auf das Interieur. Ich lasse meinen Blick schweifen und erfasse Atmosphäre und Ambiente des Hauses. Das Hotel ist nicht nur in die Jahre kommen. Es ist in Teilen tragisch.
Es ist erstaunlich: In Stuttgart sind bundesweit mit die meisten großen Industrieunternehmen angesiedelt. Automobilindustrie, Zulieferindustrie, eine der reichsten deutschen Städte, gar keine Frage. Es ist die Landeshauptstadt Baden-Württembergs und die Stadt, die meiner Meinung nach kein einziges gutes Hotel besitzt. Das Althoff Hotel am Schlossgarten ist derzeit aufgrund von Renovierung geschlossen. Ich habe die Hoffnung, dass CEO Frank Marrenbach uns und ganz Stuttgart hier positiv überrascht.
Zurück zum Steigenberger Hotel Graf Zeppelin. Ich kann es nicht anders sagen: Dieses Haus hat für mich keinen Stil. Das meine ich gar nicht böse. Hier treffen einfach die Interieurs unterschiedlicher Einrichtungszeiten kunterbunt aufeinander, somit kann es de facto keinen Stil haben, der sich konsequent durchzieht.
Hier sieht man den Ausdruck verschiedener Jahrzehnte genauso wie diverse Renovierungsarbeiten, die in der Vergangenheit stattgefunden haben. Es ist zu spüren, dass dabei zum Teil viel Geld investiert wurde und an anderen Stellen weniger. Das Ergebnis: Das Hotel ist nicht aus einem Guss. Ich fühle mich nicht wirklich wohl. Dieses Gefühl vermittelt schon die Raufasertapete, die die Gänge – in denen es muffig riecht – auskleidet.
Zurück im Zimmer leider ein weiteres Manko: die viel zu weiche Matratze. Während ich auf dem Bett liege und mich frage, wie lange die Matratze bereits in Gebrauch ist, rufe ich die Rezeption an. Mehrfach, da zunächst niemand ans Telefon geht. Es dauert, bis die Rezeptionistin schließlich abhebt und mir erklärt, um den Fernseher zu aktivieren, müsse ich auf „TV“ drücken. Darauf war ich bereits selbst gekommen; schließlich erbarmt sich der Page, kommt im Zimmer vorbei und begrüßt mich: „Herr Rath, ja, die Fernbedienung ist tot. Die Batterien sind leer! Ich bringe Ihnen eine neue Fernbedienung.“ Hassan, mein Highlight!
Das ist sehr nett von ihm, aber eine funktionierende Fernbedienung gehört zum Standard. Wir reden hier nicht von einem Helikopter-Shuttle-Service, sondern von einer Fernbedienung, die vom Housekeeping gecheckt werden sollte.
Steigenberger Graf Zeppelin Stuttgart: Ein Frühstückserlebnis der besonderen Art
Auch der nächste Morgen macht den Gesamteindruck nicht besser. Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit im Hotel. Das wissen nicht nur die Gäste, sondern auch die Hoteliers. Umso überraschender war mein Frühstückserlebnis: mit das Schlechteste, das ich in meinen 35 Jahren als Hotelgast beziehungsweise als Hotelier erlebt habe.
Ich betrete einen Frühstücksraum, in dem kein Mitarbeiter anwesend ist. Keine herzliche Begrüßung, kein Platzieren an einem Tisch, kein Mensch, der eine Frühstücksbestellung aufnimmt. Gähnende Leere. Die einzigen menschlichen Regungen kommen von einem Gast, der im Hintergrund gestikuliert und sich lauthals ins Leere beschwert, dass er bereits dreimal einen Kaffee bestellt habe. Kein gutes Omen.
Ich suche mir einen Platz in der Nähe des Buffets und stelle fest, dass nur vier weitere Tische besetzt sind. Zwei Kellner trudeln ein, einer davon neu. Er entschuldigt sich später dafür, dass dies sein erster Arbeitstag war. Er ist völlig überfordert. Er schwitzt. Er tut mir leid. Bei Steigenberger, so scheint es mir, haben Fach- und Führungskräftemangel ganz besonders hart zugeschlagen. Vom Management ist niemand zu sehen. Kein Supervisor, Gastgeber weit gefehlt, keine Organisation, keine Struktur, das blanke Chaos.
Das Buffet ist nett, nicht mehr, aber auch nicht weniger und auf relativ engem Raum in einem separaten Bereich aufgebaut. Nichts Besonderes, keine Highlights, nichts Lokales. Dann beginnt die Odyssee. Auch ich bestelle Kaffee. Immer wieder bitte ich den jungen Mann, mir doch endlich meinen Kaffee zu bringen. Am Ende meines Frühstücks hatte ich immer noch keinen bekommen.
Österreicher und Italiener machen es vor
Ich wage mich aus der Deckung und bestelle ein Eiweiß-Omelette. Auch hier Fehlanzeige. Immerhin erhalte ich nach 30 Minuten ein Omelette. Allerdings kein Eiweiß-Omelette, sondern eines, das vor Eigelb strotzt. Ich frage den jungen Mann, der heute seinen ersten Arbeitstag hat, was denn los war. Er bestätigt, selbst auch noch nie ein derartiges Chaos erlebt zu haben.
Mitten in die akute Verwirrung wird eine dritte Arbeitskraft gerufen, die offensichtlich den Unmut der Gäste lindern soll. Die Dame geht daraufhin freundlich von Tisch zu Tisch und fragt, ob alles in Ordnung sei. „Nein, nichts ist in Ordnung!“, ist die eintönige Antwort, die sie an jedem der Tische erhält, die Arme. Vom Management ist bei dieser wichtigen Mahlzeit weiterhin keine Spur.
Für mich ist es unbegreiflich, dass am Morgen in einem derartigen Hotel nicht einer der Manager einfach nur einen Guten Tag wünscht, gar nach dem Wohlbefinden fragt, oder sich erkundigt, ob man gut geschlafen habe, ob man wiederkomme, wie es einem bei Steigenberger gefallen habe. All die Dinge, die in der guten Hotellerie selbstverständlich sind. Die wir von den Österreichern schon in den 60er-Jahren gelernt und die die Italiener mittlerweile perfektioniert haben. Hier? Fehlanzeige.
Das ganze Hotel wirkt auf mich wie eine schlecht geölte Maschine, die unter Ächzen und Quietschen jeden Tag irgendwie läuft. Ohne Leichtigkeit, Liebe, Freundlichkeit und definitiv ohne Herzlichkeit. Hotellerie geht ganz anders. Als Schulnote wäre das Frühstück eine glatte „Sechs“!
Beim Auschecken dauert es ganze 20 Minuten, um endlich zur einzigen Dame an der Rezeption vorzudringen. Es laufen in der Zwischenzeit einige ihrer Kolleginnen und Kollegen vorbei, die zwar höflich nicken, aber keiner bietet seine Unterstützung an. Wir stehen also viel zu lange in einer Schlange, warten und hoffen, dass noch jemand kommen möge, um den Prozess zu beschleunigen.
Eine junge Dame erkennt mich: „Hallo, Herr Rath, ich hoffe es hat Ihnen bei uns gefallen“, sagt sie. „Nein? Okay, das tut mir leid“, entgegnet sie auf meinen Unmut und ist weg.
Auch als ich meinen Wagen wieder entgegennehme, rundet sich das Bild eines nicht umfänglichen Services ab. In guten Hotels ist der Fahrersitz auch dann nicht verstellt, wenn der Mitarbeiter, der das Auto in die Garage gefahren hatte, kleiner ist als der Gast, dessen Pkw er parkte. In guten Hotels ist auch der schmutzige Kaffeebecher vom Vortag aus dem Fond des Wagens entfernt und sogar eine Flasche Wasser bereitgestellt. Im Graf Zeppelin? Keine Spur davon.
Von daher ist das Hotel tatsächlich – Barmann sowie Page ausgenommen – alles in allem nicht zu empfehlen.
Plus: Ordentlich ausgestattetes Gym, freundlicher Page und patenter Barkeeper.
Minus: Liebloses und altbackenes Interieur, zu weiches Bett, unaufmerksames Personal, mittelmäßige Rezeption, schlechter Check-out und noch schlechteres Frühstücks-Erlebnis.
Raths Reiserating (aktuelle Wertung gefettet)
1. Ausdrückliche Reisewarnung
2. Besser als unter der Brücke
3. So lala, nicht oh, là, là
4. Meckern auf hohem Niveau
5. Wenn’s nur immer so wäre
6. Ganz großes Kino
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