Der Besuch im geschichtsträchtigen Europäischen Hof in Heidelberg geht unserem Kolumnisten unter die Haut – und bleibt ihm in bester Erinnerung.
„Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren … mein Herz, es schlägt am Neckarstrand“, sang bereits der Wiener Komponist Fred Raymond. Mit seiner Begeisterung war er sicherlich nicht der Einzige – dem „magischen Zauber“ der Stadt konnte sich schon so mancher Künstler oder Intellektueller nur schwer wieder entziehen. Und auch mir wird bei meinem Besuch in Heidelberg regelrecht warm ums Herz.
Das liegt allerdings – den natürlichen Charme der Stadt in allen Ehren – diesmal an etwas anderem. Oder soll ich sagen, an einer anderen? Ich habe das große Vergnügen, bei der Hôtelière Caroline von Kretschmann im Europäischen Hof Heidelberg einkehren zu dürfen.
Hier werde ich mit einer Warmherzigkeit empfangen, die ich nur ganz selten so erlebt habe.
Was mir gleich bei der Ankunft in der tadellosen Lobby auffällt: Die Mitarbeiter, die aus aller Herren Länder kommen, sprechen alle – ausnahmslos – ein und dieselbe Sprache. Und das ist die der Herzlichkeit. Hier würde niemand auch nur auf die Idee kommen, den Gast mit einer Zimmernummer zu bezeichnen oder ihn gar danach zu fragen!
Vom ersten Moment an begrüßt man mich mit einem warmen Lächeln – und mit meinem Namen. Eine derartige Freundlichkeit geht mir richtig unter die Haut – eben weil sie keine leere Floskel, sondern Teil der Kultur ist.
Europäischer Hof Heidelberg: Wie Gäste wirklich erreicht werden
Mir scheint, als hätte man hier wirklich verstanden, dass Warmherzigkeit der – vielleicht einzige – Weg ist, Menschen zu erreichen. Stylisches Design, auserlesene Weine, köstliche Speisen und zuvorkommender Service sind die eine Sache – klar. Aber wie schafft man es, ein derart warmes, familiäres, ja außergewöhnliches Flair zu kreieren?
Für Caroline von Kretschmann jedenfalls kann es darauf nur eine Antwort geben: indem sie und ihre Mitarbeiter ganz einfach lieben, was sie tun. Ganz im Sinne der Ritz-Carlton-Philosophie von Horst Schulze stellt sie ihre Mitarbeiter und deren Wohlergehen ins Zentrum. Und setzt damit konsequent das um, was bei einigen anderen Hotelbetrieben leider immer noch eher die Ausnahme statt die Regel ist. Auch Hotels wie Schloss Elmau, Vier Jahreszeiten Hamburg oder Breidenbacher Hof agieren wie der Europäische Hof.
So viel Liebe zum Detail zahlt sich aus. Denn seitdem die Hotelchefin das Haus 2013 von ihren Eltern übernommen hat, bewegt sie sich erstaunlich erfolgreich auf dem manchmal so schmalen Grat zwischen Tradition und Moderne. Ihre Großeltern Fritz und Luise Gabler haben das Haus bereits vor 150 Jahren in die Spitzenliga der deutschen Grandhotels geführt.
Fairness, Respekt und Toleranz gegenüber den Mitarbeitern
Carolines Eltern, die bis heute in den Hotelbetrieb eingebunden sind, führten es in einer Manier von Fairness, Respekt und Toleranz weiter. Beide wurden bereits 2006 zu den Hoteliers des Jahres gekürt. Und nun also Caroline, die die Ehrung im vergangenen Jahr erhielt, sich aber nach eigener Aussage reiflich überlegte, ob und wie sie in diese durchaus großen Fußstapfen tritt. Seither geht sie ganz eigene Wege.
Nun aber zum Haus an sich: Die Einrichtung finde ich charmant – das Interieur und der Stil zeugen dabei natürlich von der langen Geschichte des Grandhotels. Das mag nun mancher altmodisch finden. Mir aber gefällt es, eben weil es so authentisch ist. Der Europäische Hof in Heidelberg ist eben eine Institution und wird sich auch als solcher gerecht.
Und wo es nötig war, hat Kretschmann das Haus sukzessive verjüngt: Die Badezimmer sind up to date, die Lobby, die ich jedem nur zum Verweilen empfehlen kann, ist ohne Fehl und Tadel, und auch in den Betten (samt den Bezügen übrigens von hervorragender Qualität) lässt es sich erholsam schlafen. Hier ist wirklich alles durchdacht. Selbst die Möbel werden noch von hauseigenen Handwerkern instand gehalten und restauriert.
Auch alle weiteren öffentlichen Bereiche sind prima, allen voran der Frühstücksraum und das Büffet gefallen mir gut. Beim üppigen und liebevoll zubereiteten Frühstück ist für jede Geschmacksrichtung etwas dabei. Die Käse- und Obstauswahl ist opulent. Und die Auswahl an Obst hat asiatische Dimensionen.
Einziges kleines Manko: Bei aller Euphorie und Liebe zum Detail bedarf es bei einem solch geschichtsträchtigen Haus natürlich mehrerer Renovierungen. Diese werden von Kretschmann peu à peu umgesetzt. Beispielsweise bei den Zimmern: Hier haben die anfälligen Renovierungen bereits begonnen. Die Böden sind brandneu und blitzen nur so vor sich hin. Und werden nun auch noch die Holzarbeiten sowie die Teppiche erneuert, dann ist das Haus rundum wieder in prächtigem Zustand.
Es scheint mir, dass das Grandhotel gerade seinen siebzehnten Frühling erlebt, trotz oder vielleicht gerade wegen seiner weit zurückreichenden Geschichte. Und auch Heidelberg musste sich in seiner langen Tradition als beliebtes Touristenziel neu erfinden. Denn die Zeiten des ganz großen Booms sind ja bekanntlich bereits vorüber.
Als Zentrum für Bildung, Wissenschaft und Kultur bleibt die Stadt weiterhin für viele attraktiv. Vor allem die Nachfrage im Medizintourismus ist durch die Heidelberger Universitätsklinik, die ja Weltruf genießt, in die Höhe geschossen.
Außerdem ziehen auch solch wunderbare Kulturveranstaltungen wie der Heidelberger Frühling Kunst- und Kulturliebende alljährlich nach Heidelberg. Das internationale Musikfestival lässt kaum einen Wunsch offen. Und mit ein wenig Glück kann man die geladenen Künstler dann auf eine Tasse Tee in der Lobby im Europäischen Hof treffen. Denn die sind allesamt über eine Kollaboration mit den Veranstaltern des Heidelberger Frühlings hier im Hause eingebucht.
Kretschmann und ihr Team ernten, was sie säen. Sie hat zu Recht in kürzester Zeit alles gewonnen, was man nur gewinnen kann. Über die Verleihung des Hospitality HR Awards für ihre ausgezeichnete Mitarbeiterführung bis hin zur Auszeichnung als Hôtelière des Jahres 2022 nahm sie nun obendrein auch noch die Brillat-Savarin-Plakette der FBMA-Stiftung entgegen.
All dies zeigt natürlich, wie großartig sie arbeitet und wie wunderbar sie ihre Philosophie lebt. In der Hotelbranche ist sie jetzt schon eine Koryphäe. Ihr Verdienst geht jedoch weit darüber hinaus. Diese Frau hat die deutsche Hotelkultur ein Stück weit revolutioniert.
Raths Reise-Rating (aktuelle Wertung gefettet) für den Europäischen Hof Heidelberg:
1. Ausdrückliche Reisewarnung
2. Besser als unter der Brücke
3. So lala, nicht oh, là, là
4. Meckern auf hohem Niveau
5. Wenn’s nur immer so wäre
6. Ganz großes Kino
Insidertipps:
Kultur: Auch dieses Jahr lassen sich im Herzen Heidelbergs wieder Weltstars genießen: Das internationale klassische Musikfestival Heidelberger Frühling lässt kaum einen (Kultur-)Wunsch offen. Vom 17. März bis zum 15. April 2023 locken zahlreiche Veranstaltungen und Konzerte. Das diesjährige Motto lautet: ZUSAMMEN, mit dem ein neuer Zyklus beginnt. Intendant Thorsten Schmidt wird in den kommenden fünf Jahren gemeinsam mit Pianist Igor Levit das Festival gestalten.
Geschichte: Heidelberg ist ein Ort reich an Geschichte, und ein Großteil der historischen Sehenswürdigkeiten lassen sich mit einem schönen Rundgang zu Fuß besichtigen. Das Heidelberger Schloss wurde jahrhundertelang von Fürsten und Herrschern bewohnt und hat einen ganz besonderen Charme.
Kunst: Die Heidelberger Kunstszene ist lebendig, zahlreiche Kunstvereinigungen sowie Galerien bieten regelmäßig Veranstaltungen. Im Heidelberger Kunstverein beispielsweise dreht sich alles um die Förderung der Gegenwartskunst, während sich im Kurpfälzischen Museum Kunst, Geschichte und Archäologie von der Steinzeit bis in die Gegenwart bestaunen lassen.
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