Das Mandarin Oriental Palace Luzern wurde erst im September 2022 eröffnet – und hat bei der Leistung noch Luft nach oben. Wie auch das oberhalb gelegene Montana.
Ich bin in der Zentralschweiz und der wohl schönsten Stadt des Alpenlandes: in Luzern. Mein Hotel ist das neue Mandarin Oriental Palace. Erst Ende September 2022 hat es direkt an der historischen Seepromenade eröffnet. Das Mandarin ist in einer fünfjährigen Renovierungsphase im Gebäude des alten, 1906 erbauten Hotel Palace entstanden. Mehr als 100 Millionen Franken hat der chinesische Investor und Milliardär Yunfeng Gao in das neue Grandhotel investiert.
Das Mandarin liegt nur einen Steinwurf von der Luzerner Altstadt entfernt, direkt an der stark befahrenen Durchgangsstraße. Parkplätze: null. Kaum bleibt man stehen, kommt die Polizei. Ohne das Valet Parking wäre man verloren. Mein Auto wird in eine Parkgarage gebracht und steht reibungslos bei der Abreise bereit.
Die Kosten sind allerdings erheblich und darüber informiert wurde ich auch nicht. Ich sprach das an, fairerweise wurde es daraufhin von meiner Rechnung genommen. Schon bei der Reservierung sollte man auf die Verkehrssituation und die Kosten des Parkservices hinweisen.
Ich betrete das majestätische Gebäude und bin schon in der Lobby beeindruckt: edler Marmor und stilvolle Möbel. General Manager Christian Wildhaber ist in Montreux aufgewachsen, er begrüßt mich herzlich. Wir haben beide vor langer Zeit im Kempinski Beijing gearbeitet. Zu unterschiedlichen Zeiten, aber in der gleichen Position: Wir waren damals für die Gastronomie verantwortlich.
Ich bin beeindruckt von dem, was er mir zeigt. Mit großer Akribie wurden die denkmalgeschützten Teile, die Decken, Wände und Böden im Erdgeschoss und im Treppenhaus in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt. Mir gefällt die gelungene Symbiose aus moderner Eleganz und dem historischem Charme des Gebäudes.
Im Treppenhaus sind die historischen Stuckmarmorsäulen restauriert worden. Ich erfahre, dass allein an jeder der Säulen eine Person einen ganzen Monat lang gearbeitet hat. In den Gängen zu meinem Zimmer nehmen die zeitgenössischen Bilder an den Wänden bewusst Themen der Region auf. Auch die Kunst ist im Palace Luzern mit spürbarer Hingabe ausgewählt.
In meinem Zimmer dominieren zahlreiche warme Grüntöne das Design. Mir gefallen die hochwertigen Möbel in satten Walnusstönen. Im Boden fällt das edle Holzmosaik auf. Und für mich wichtig: Ich schlafe sehr gut unter Bettdecken höchster Qualität. Sie sind mit isländischen Eiderdaunen gefüllt.
Das Hotel hat 136 Zimmer, darunter sind 48 der größten Suiten in Luzern. Christian Wildhaber berichtet mir, dass es ihm wichtig ist, dass das neue Luzerner Hotel auch ein Treffpunkt für die lokale Bevölkerung wird. Und er will möglichst bald mit der Küche punkten – Michelin-Sterne sind geplant. Gleich vier Restaurants sollen in Kürze um die Gunst der Gäste konkurrieren.
Ich hätte mich allerdings schon über zwei gastronomische Alternativen gefreut. Denn während meines Aufenthaltes war leider nur die „MOzern Bar & Brasserie“ geöffnet. Das ist zu wenig. Hier werden Frühstück, Lunch und traditioneller britischer Afternoon Tea serviert – der wohl beste jenseits des Peninsula Hotels in Hongkong. Abends gibt es dann Dinner, danach wird der große Saal zur Bar.
Im Laufe des Jahres sollen unter Leitung des israelischen Sternekochs Gilad Peled, ein Schüler von Gordon Ramsay, das mediterrane „Quai 10“ auf der Seeterrasse, das „Colonnade“ mit saisonaler französischer und ab April das „Minamo“ mit japanischer Omakase-Küche – und nur sechs (!) Sitzplätzen – dazukommen.
Am nächsten Morgen fällt mir beim Frühstück die nicht abgebaute Bar auf. Ich denke, es geht nicht nur mir so: Beim Frühstück will ich nicht an Alkohol denken. Und auch keinen sehen.
Leider kommt auch der Service nicht hinterher. Ich bestelle beim selben Kellner wie am Tag zuvor Tee – „den gleichen wie gestern“. Er schaut mich entgeistert an. Das Frühstücksbuffet ist in seiner Auswahl enttäuschend. Keinerlei frische Beeren. Dazu für Schweizer Verhältnisse eine minimalistische Käseauswahl: Luzerner Bergkäse, ein Brie und ein Petite Chevrette.
Das Mandarin Oriental ist spürbar noch in der Einführungsphase. Aber General Manager Wildhaber ist ein erfahrener Hotelprofi, und ich bin sicher: Er wird sein Team weiter motivieren und bald zu Höchstleistungen bringen.
Später entdecke ich den Ballsaal Edelweiss. Der hat Platz für bis zu 230 Personen und eine vorgelagerte Seeterrasse. Die perfekte Kulisse für eine romantische Hochzeit. Bemerkenswert auch der Salon Alpine: ein historisches Kleinod mit original Belle-Époque-Dekor.
Oberhalb des Mandarin: Hotel Montana
Ich erkunde noch ein zweites Hotel in Luzern: das Montana im Art-déco-Stil direkt oberhalb des Mandarin am Hang. Mit dem Bau des Montana wurde auch eine elektrische Standseilbahn gebaut – die kürzeste der Welt. Diese bringt mich in 60 Sekunden von der Seepromenade direkt in die Hotellobby. Ein lohnenswertes Erlebnis.
Das Positive: Exzellente Lage mit einer brillanten Aussicht. Und der Art-déco-Stil ist konsequent durchgezogen. Vom Empfang bin ich enttäuscht: Die junge Dame an der Rezeption schaut statt zu mir ständig auf ihren Computer und nuschelt „herzlich willkommen“. Erst nachdem an der Rezeption alles formell langwierig abgearbeitet wurde, kann ich endlich auf mein Zimmer.
In den Fluren fallen mir an verschiedenen Stellen auffällige Nachlässigkeiten und Schmutz auf. Sinnlos dann in meiner doppelstöckigen Spa-Suite: zwei Duschen, eine oben, eine unten – beide witzig. Auf der Terrasse ein Whirlpool, allerdings trotz tollen Wetters zugedeckt. Und: keine Kerzen, kein Wein. Gar nichts. Vor allen Dingen keine Liebe zum Detail. Gute Ideen: verschiedene Raumdüfte und ein eigenes Terminal für diverse Lichtstimmungen. Ich habe das Gefühl, das Vier-Sterne-Hotel Montana ist vor allem eine Partylocation. Es ist teilweise etwas schmuddelig, Teppiche zum Beispiel sind nicht oder nachlässig gesaugt.
2014 eröffnet, ist der Beach Club im Montana seit Jahren die beliebteste Rooftop-Bar der Schweiz. Im Sommer gibt es Beach-Feeling mit Outdoor-Whirlpool und Regenwalddusche. Dazu Sand und Palmen, alles in Weiß gehalten.
Mein Resümee als Momentaufnahme: Das Art Deco Hotel Montana ist derzeit kein wirklich gut geführtes Hotel.
Zurück wieder im Mandarin Oriental stehe ich auf meiner Zimmerterrasse und schaue verzaubert auf den See: Er ist gut 12.000 Jahre alt, entstand in der letzten Eiszeit beim Rückzug der Gletscher. An seinen Ufern wurde einst die Schweiz gegründet. Ich denke an Leo Tolstoi, der bei seiner ersten Begegnung mit dem Vierwaldstätter See „geblendet und erschüttert“ war: von der „Schönheit des Wassers, der Berge und des Himmels“. Recht hat er: Auch mehr als 100 Jahre später hat dieses Fleckchen Erde nichts von seiner Magie eingebüßt. Sie merken schon, der Vierwaldstättersee hat es mir angetan. Ich bin auf der anderen Seite des Sees zu Hause, dort wohne ich.
Plus: Spektakuläre Aussicht. Perfekte, aufwendige Restauration der historischen Bausubstanz.
Minus: Kein Schwimmbad, weder innen noch außen am See. Extrem befahrene Straße zur Stadtseite direkt vor dem Hotel. Von vier Hotelrestaurants ist nur eins geöffnet.
Raths Reise-Rating (aktuelle Wertung gefettet):
1. Ausdrückliche Reisewarnung
2. Besser als unter der Brücke
3. So lala, nicht oh, là, là
4. Meckern auf hohem Niveau
5. Wenn’s nur immer so wäre
6. Ganz großes Kino
Insidertipps:
Jogging: Meine Lieblingslaufstrecke führt direkt vom Mandarin Oriental an der Seepromenade entlang, entweder Richtung Weggis oder Luzern-Altstadt.
Ausflug: Seit 1901 tuckert die „Uri“, der älteste aktive Schaufelraddampfer der Schweiz, auf dem Vierwaldstätter See. Erste Klasse buchen und im Neobarock-Salon den einmaligen Blick genießen.
Architektur: Das Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL), die Heimat des weltbekannten Lucerne Festivals, ist einem Schiffsrumpf nachempfunden und liegt direkt am See. Das architektonische Meisterwerk von Jean Nouvel mit weltweit anerkannter perfekter Konzertakustik lohnt auch wegen des Restaurants „Lucide“ (grandiose Sommer-Terrasse!).
Erschienen auf: