Ein Stück österreichische Geschichte in einem noch jungen Hotel

Die Marke Rosewood wächst derzeit stark. Das neueste Haus in Wien bietet historische und lokale Bezüge – und ein Restaurant als Schwachpunkt.

Die Lobby - Der Anspruch des Hauses: die lokale Kultur und Geschichte des Ortes einzubeziehen. (Foto: Rosewood Vienna)

Wien ist ein Sehnsuchtsort, mit einem Charme, dem sich kaum jemand entziehen kann. Diesen Charme hat auch das neue Hotel der Rosewood-Gruppe. Obwohl es ein junges und modernes Haus ist, im Zentrum der Stadt gelegen, finden sich zahlreiche lokale und historische Bezüge – sei es in den Themen, den Materialien oder im Service. Auch hier erinnert alles immer ein bisschen an die Kaiserzeit.

Die 1979 gegründete Marke Rosewood wächst derzeit stark: Auf das im Sommer eröffnete Haus in Wien folgen bald Häuser in Rom, München, Schloss Fuschl, Venedig und Mailand. Natürlich ist Wien eine Stadt mit einigen großartigen Hotels, allen voran dem Sacher – zugegeben eines meiner Lieblingshotels. Doch das neue Rosewood Wien kann in diesem Umfeld bestehen. Es liegt zentral in der Wiener Altstadt, nur fünf Gehminuten vom Stephansdom entfernt an der Peterskirche – quasi im Epizentrum des Shoppingparadieses rund um die Kärntner Straße und den Graben.

Ich erlebe das Hotel als sehr persönlich – bis auf das Restaurant, auf das ich noch zu sprechen komme. Überall stehen spannende Bücher, nichts wirkt dekoriert, es ist eher so, als gehörten die verschiedenen Gegenstände, die Schalen, Blumen, alten Erinnerungen genau da hin, wo sie sich befinden. Die Intarsien im Boden, der Marmor im Bad, die mit Leder bezogene Espressomaschine – wo man hinblickt, wirkt alles erstaunlich stimmig.

Mozarts Singspiel im Serail-Zimmer

Ich wohne im Serail-Zimmer, wo Mozarts Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“ allgegenwärtig ist. Tatsächlich komponierte Wolfgang Amadeus Mozart 1782 exakt an diesem Ort seine berühmte Oper. Der Leitspruch der Hotelgruppe, „a sense of place“, also die lokale Kultur und Geschichte des Ortes ins Haus einzubeziehen, wird hier erfüllt.

Auch die anderen lokalen Verbindungen gefallen mir. Mit Markus Scheer zum Beispiel, Wiener Schuhmacher in siebter Generation, besteht eine Kooperation. Sein Buch „Der Fuß weiß alles“ liegt in jedem Zimmer aus, seine Traditions-Schuhmanufaktur befindet sich zwei Gehminuten vom Hotel entfernt. Scheers Vorfahren haben bereits die Schuhe für Kaiser Franz Joseph oder den Schriftsteller Franz Kafka gefertigt. Ich allerdings kann sie mir leider nicht leisten.

Spa mit Aussicht - Im Ruheraum bietet sich ein Blick über die Stadt Wien. (Foto: Rosewood Vienna)

Auch die Prints und Stoffe sowie andere Materialien im Haus stammen von Firmen aus der nahen Umgebung. Immer ist ein Stück österreichische Geschichte eingebaut, ohne dass es je zu laut oder allzu offensichtlich wäre.

Die Liebe zum Detail spürt man nicht nur im Design und der Umsetzung, sondern auch in dem, was den Gästen geboten wird. Im Zimmer finde ich etwa einen Bademantel und zusätzlich einen Morgenmantel. Die Amenities sind in großen Glasflaschen abgefüllt – was auch dem Nachhaltigkeitsanspruch gerecht wird. Und im Schrank befinden sich Schuhspanner aus Massivholz.

Und: Es herrscht ein Level an baulicher Finesse, wie ich es in Europa nur selten erlebt habe. Das historische Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, in dem das Rosewood angesiedelt ist, ist handwerklich auf hohem Niveau restauriert.

Hoteldirektor Alexander Lahmer ist am Samstagmorgen beim Frühstück vor Ort, geht von Tisch zu Tisch, wünscht einen guten Morgen und einen schönen Tag. Der Deutsche versteht sich – ganz österreichisch – als wahrer Gastgeber. Seit zehn Jahren arbeitet er für Rosewood und hat in dieser Zeit bereits sechs Häuser eröffnet. Mit seiner Asien- und Middle-East-Erfahrung will er nun das Wiener Haus ganz nach vorn bringen.

Die Rooftop-Bar lohnt einen Besuch. Hier trifft die Wiener Society auf Hausgäste. Das Personal spricht die Gäste mit Namen an, die Barkeeper kennen ihre Cocktail-Favoriten. Einziges und entscheidendes Problem hier: der Platz. Die Bar wurde viel zu klein konzipiert, hier hätte man sicher doppelt so viel Raum einplanen müssen.

Etwas schwierig finde ich das Restaurant „Neue Hoheit“. Designtechnisch wirkt es wie ein Fremdkörper im Haus. Ich vermute, dass man hier eine Gemütlichkeit aus den 1970er-Jahren nachempfinden wollte. Mir erschließt sich das Konzept ausdrücklich nicht. Vielleicht waren im Hotel und im Restaurant zwei verschiedene Designer am Werk – so kommt es mir vor.

Die Dachterrasse - Auch hier bietet sich ein wunderbarer Blick über die Stadt. (Foto: Carsten K. Rath)

Beim Frühstück wünsche ich mir Verbesserung im Service, der zum Teil wohl von Aushilfen geleistet wird. Der Kaffee kam nach der vierten Bestellung. Einem so jungen Hotel verzeihe ich diese Schwächen aber noch. Ich bin mir sicher, dass die Führung bereits daran arbeitet.

Auffällig finde ich die Rate. Sie liegt 20 bis 30 Prozent über jener der Wiener Mitbewerber. Das ist mutig. Aber es ist eben auch richtig. Qualität hat ihren Preis, muss ihren Preis haben. In diesen Zeiten mehr denn je. Die zahlreichen internationalen Gäste jedenfalls scheinen zufrieden zu sein. Ich sehe kaum Deutsche oder Österreicher, eher Amerikaner, Asiaten, Araber. Diese Internationalität prägt die Atmosphäre zusätzlich.

Ich fühle mich wohl im Rosewood Wien, es gibt wenige Dinge, die mir hier nicht gefallen. Neben dem Restaurant sind das die Personaluniformen, deren Passform wirklich besser sein könnte, damit sich alle Mitarbeiter wirklich wohl fühlen können. Als ehemaliger Hotelier habe ich großen Respekt vor der Tatsache, dass das Hotel erst vor wenigen Monaten eröffnet wurde und schon jetzt auf einem so guten Weg ist. Wenn dieser Weg weiterhin konsequent gegangen wird, wird die Bewertung im nächsten Jahr sicher noch besser ausfallen.

Wie ein Fremdkörper - Das Konzept des Restaurants „Neue Hoheit“ erschließt sich nicht. (Foto: Rosewood Vienna)

Plus: heimeliger Charme, aufmerksamer Service, perfekte Lage.
Minus: die viel zu kleine Bar, Schwächen beim Frühstücksservice, Design im Restaurant „Neue Hoheit“

Raths Reiserating 

1. Ausdrückliche Reisewarnung
2. Besser als unter der Brücke
3. So lala, nicht oh, là, là
4. Meckern auf hohem Niveau
5. Wenn’s nur immer so wäre
6. Ganz großes Kino

Insidertipps

Kultur: Journalist Clemens Coudenhove-Kalergi ist ein wunderbarer Stadtführer und ein sehr lebendiger Erzähler. Wer in der Stadt ist, sollte eine Tour bei ihm buchen. Sie ist jeweils individuell auf die Bedürfnisse und Wünsche der Gäste abgestimmt.

Geschichte: Nur fünf Minuten vom Hotel entfernt kann man bei Time Travel auf eine magische Geschichtsreise durch Wien gehen. Hier sind 2000 Jahre österreichische Geschichte spannend aufgearbeitet – mal als 5D-Kino, als Theaterstück oder mithilfe von Marionetten. Das hat nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene einen hohen Unterhaltungsfaktor.

Kunst: Wien ist eine Stadt der Museen. Spannend – vor allem, wenn man Kinder dabei hat – ist das Museum der Illusionen. Hier kann man scheinbar im Raum schweben, ganz klein oder ganz groß werden und coole Insta-Fotos von den Illusionen schießen.

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