Schwarzwaldstube und Restaurant Bareiss: Im deutschen Eldorado für Genießer

Die traditionsreichen Häuser Bareiss und Traube Tonbach: In Baiersbronn geht es kulinarisch um alles. Eines der beiden Hotels liegt aber in Sachen Herzlichkeit vorn.

Außenbereich des Hotels Bareiss - Die Gäste können sich unter anderem in einem Naturschwimmteich vergnügen. (Foto: Hotel Bareiss)

Ich bin im Mitteltal im nördlichen Schwarzwald. Hier in Baiersbronn, dem Dorf der Feinschmecker, stehen das Hotel Bareiss und die Traube Tonbach, die beiden dominanten Luxus- und Gastronomiehotels meiner Jugend.

Das Hotel Bareiss ist das Reich von Hermann Bareiss. Mit 29 hat er das Haus 1973 von seiner Mutter Hermine übernommen. Die hatte das Hotel seit 1947 aufgebaut und befand: Der Sohn ist, nachdem er sich im Hotel Bachmeier am Tegernsee und in vielen weiteren nationalen und internationalen Stationen bewiesen hatte, so weit, zu übernehmen.

Ich checke ein. Unmittelbar umhüllt mich die hohe Intensität der hier im Hause allgegenwärtigen Zugewandtheit und Gastfreundschaft. Das Bareiss hat 100 Zimmer, knapp 300 Mitarbeiter, vier Restaurants und einen überaus aufwendigen Außenbereich mit Schwimmbad, Naturbadeteich und Dutzenden Nebengebäuden. Was mich am allermeisten beeindruckt, ist die Finanzkraft, die das Bareiss in ihr Mitarbeiter-Training steckt. Dafür stehen ein eigenes Gebäude und insgesamt 200 Trainingstage im Jahr zur Verfügung.

Hotel Bareiss: Fokus auf die Mitarbeiter

Das zahlt sich aus. Wo andere Hoteliers vielleicht in Extrazimmer oder Spa-Facilities investieren würden, hat Bareiss schon sehr früh den richtigen Weg eingeschlagen: Fokus auf die Mitarbeiter – ein sehr nachhaltiger und erfolgreicher Ansatz. Daher kommen immer wieder auch die besten Auszubildenden aus diesem Haus.

Bei der herausragenden Mani- und Pediküre verrät mir Olga, meine Spa-Therapeutin aus Kasachstan: „Wir werden hier nach Herzlichkeit eingestellt, freundlich sind ja viele.“ Die echte Achtsamkeit und ständige warmherzige Ausrichtung auf den Gast im Mittelpunkt ist immer spürbar. Das Zimmermädchen im Gang macht den Staubsauger aus, als ich mich nähere. Ich frage nach dem Grund. Sie entgegnet: „It would hurt your ears.“
Restaurant Dorfstuben - Hier wirkt seit 1987 ununterbrochen Claus-Peter Lumpp. Seit 1992 ist er Küchenchef, seit 2007 holt er jedes Jahr drei Sterne. (Foto: Hotel Bareiss)

Im Restaurant Bareiss wirkt seit 1987 ununterbrochen Claus-Peter Lumpp. Seit 1992 ist er Küchenchef, seit 2007 holt er jedes Jahr drei Michelin-Sterne. Lumpp gehört sozusagen zur Familie im Bareiss. Beim Frühstücksbüffet spüre ich, dass Lumpp sich als Küchenchef auch für das Portfolio am Morgen verantwortlich fühlt. Wenn es im Guide Michelin eine Frühstücksbewertung gäbe, dann wären hier ganz sicher drei Sterne fällig. Ich zähle 28 verschiedene Käse, zwölf verschiedene Schinken, drei verschiedene Bircher-Müsli, 20 verschiedene Brotsorten und Brötchen.

Hannes, der Sohn von Patron Hermann Bareiss, ist mittlerweile für das Hotel verantwortlich. Das Haus brummt, mit mehr als 80 Prozent Stammgästen. Aber es gibt auch dunklere Wolken. Seit September müssen die Gäste neun Euro pro Nacht extra für Energie zahlen – ob das reicht? Juniorchef Bareiss glaubt, dass die meisten Gäste verstehen, dass diese Anpassung nötig ist. Tatsächlich sind Hotels meist von Erdgas abhängig. Aufgrund der Energiekrise und der steigenden Kosten werden enorme Verteuerungen in allen Bereichen erwartet.

Schwarzwaldromantik im Bareiss - Der Badeteich des Hotels. (Foto: Carsten K. Rath)

Auf dem Gang zum Zimmer begegnet mir Shimo, der Hauspage, der seit 31 Jahren im Haus arbeitet. Auch er begrüßt mich mit Namen, wie einen alten Freund. Ich frage: „Wie machen Sie das denn bloß mit all den Namen?“ Shimo erklärt: „Wenn ich an der Rezeption stehe, erkenne ich von 100 Leuten mindestens 95. Die anderen fünf Prozent finde ich ganz schnell heraus, bevor die das merken.“ Ich bin beeindruckt und frage: „Wie finde ich denn den Weg zu Spa?“ Shimo: „Indem ich Sie begleite und hinführe.“

Zusammenfassend schätze ich hier im Bareiss den stets selbstverständlichen Luxus und den meisterhaft zugewandten Service: ruhig, gelassen, elegant, präzise. Das Namensschild mit der Aufschrift „Mit dem Herzen dabei“, das hier jede und jeder trägt, bräuchte es da gar nicht. Man spürt es ohnehin.

Ich fahre das Tal hoch und bin gespannt auf die „neue“ Traube Tonbach mit dem – wieder – Dreisternerestaurant „Schwarzwaldstube“. Die vergangenen zwei Jahre waren bitter für das Haus. Im Januar 2020 war im Restauranttrakt des weltbekannten Gourmetdomizils ein verheerendes Feuer ausgebrochen. 70 Stunden brannte es, später fand man heraus: Ein Kabelbrand war der Auslöser.

Hotel Traube Tonbach: Ein Brand und andere Krisen

Das neu errichtete Stammhaus - Der Betrieb im Traube Tonbach läuft in der achten Generation – mit zwei bitteren vergangenen Jahren. (Foto: Traube Tonbach)

Der Betrieb in dem Fünfsternehotel lief zwar in der Folge weiter, die in Jahrzehnten aufgebauten Sterne aber waren weg. Neben dem Brand gab es ja auch noch die Pandemie und andere Krisen. Allein den Fokus auf wahre Qualität hier nicht aufzugeben oder den Kopf in den Sand zu stecken, ist schon eine Auszeichnung wert. Aber in der achten Generation gibt man auch nicht einfach auf, sondern versucht, aus der Krise stärker herauszukommen. Das ist dem Seniorchef Hermann Bareiss und seiner Mannschaft insgesamt gelungen.

Ich fahre vor und bin irritiert über die seltsame und unkomfortable Ankunftssituation: Zwei Auszubildende begrüßen mich herzlich, die Ankunftslobby aber ist leer. „Gleich kommt jemand“, heißt es. Als nach Minuten noch immer niemand erschienen ist, packe ich meinen Koffer und fahre allein mit dem Aufzug hoch. Ich schleppe mein Gepäck einen langen, menschenleeren Gang entlang, bis ich endlich die oben gelegene Rezeption erreiche.

Die Schwarzwaldstube 3.0: Kulinarik vom Allerfeinsten

Später fällt mir die allgegenwärtige Kunst auf. Die Schwiegereltern von Heiner Finkbeiners Sohn Sebastian besitzen eine Galerie. Mehr als 100 zeitgenössische Bilder, Skulpturen, Plastiken und Installationen bekommen hier im Haus eine sehr beeindruckende temporäre Bühne.

Die neue Schwarzwaldstube - Sie ist das genaue Gegenteil der alten – und lässt den Schwarzwald herein. (Foto: Traube Tonbach)

Nun bin ich sehr gespannt auf die neue Schwarzwaldstube. Zuerst bin ich überrascht. Die alte Schwarzwaldstube war verzwirbelt, verwunschen, gemütlich, ein Tempel. Jetzt ist sie genau das Gegenteil. Sie ist offen. Bodentiefe Fenster. Gefühlte 20 Meter Deckenhöhe. Keine Vorhänge. Man sitzt quasi mitten im Schwarzwald. Mir fällt es noch schwer, das neue Design schön zu finden.

Dann die Küche von Torsten Michel: grandios. Jeder Gang schlägt den nächsten. Es gibt keine Aussetzer. Die Entenleber, nicht süß, wie man es erwarten würde, eher mit herb-säuerlichem Ton am Salat. Die Brioche perfekt gebacken. Dazwischen: moderne Gerichte, zum Beispiel der grandiose Hummer mit Zitronengras. Die Küche ist jünger, moderner, im Zweifel – und das ist keine Majestätsbeleidigung – sogar noch besser geworden. Es ist subjektiv jetzt perfekt.

Mich fasziniert: Der Brand hat 20.000 Flaschen Wein vernichtet. Große Italiener, Franzosen, alle verschmolzen. Der Sommelier hat das perfekt nachgearbeitet, mit den Stammgästen gesprochen und ihnen tolle Weine aus deren Kellern abgekauft. Und was ich nicht wusste: Die großen Weingüter, die Margaux dieser Welt, haben kleine Schatzkästchen für solche Notfälle. Wenn wirklich mal ein Drama passiert, wie hier 2020, dann machen die den Keller auf und helfen. Jetzt hat der Weinkeller wieder 32.000 Positionen, die großen Kracher sind alle wieder da. Ein Weinkeller, über den man ein Buch schreiben könnte.

Standort-Design - Der Schwarzwald gehört in der Traube Tonbach zum Markenkern. (Foto: Carsten K. Rath)

Fazit

Die beiden Ikonen der deutschen Hotellerie miteinander zu vergleichen, liegt auf der Hand und ist unmöglich zugleich. Sie sind nur sieben Kilometer voneinander entfernt. Gastronomisch sind beide Häuser absolut perfekt, ebenbürtig. In der reinen Hotelleistung liegt das Bareiss vorne. Es ist freundlicher, professioneller, klarer, vor allem herzlicher, aufmerksamer. Die Traube ist manchmal im Umgang etwas weniger klar und geschärft in der Gastgeberschaft.
Beide haben, vorsichtig gesagt, einen Nachholbedarf in der Hardware. Die Traube hat schon gefühlt nachrenoviert, der Brand war im Nachhinein auch eine Chance. Aber mir ist nicht bange. Mit Mathias und Sebastian Finkbeiner steht in der Traube die nächste Generation parat, um das Lebenswerk von Renate und Heiner Finkbeiner fortzuführen. Und Hannes Bareiss ist schon über zehn Jahre an der Seite seines unermüdlichen Vaters und hat die Familienenergie intus. Er weiß ganz genau, was er will. Das Baiersbronner Tal mit seinen beiden Gourmet-Flaggschiffen wird also, da bin ich mir sicher, auch künftig ein weltweiter Anziehungspunkt bleiben.

Raths Reiserating:

1.Ausdrückliche Reisewarnung
2.Besser als unter der Brücke
3.SO LALA, NICHT OH, LÀ, LÀ
4.Meckern auf hohem Niveau
5.Wenn’s nur immer so wäre
6.Ganz großes (klassisches) Kino

Insidertipps:

Joggingstrecke: Eine rund sieben Kilometer lange Strecke schlängelt sich durch Tonbach hinaus in das ruhige Wildgehege Tonbach.

Radtour: Fantastische Ausblicke über das Baiersbronner Mitteltal von der Aussichtsplattform am Ellbachsee – nur etwa eine 30-minütige Autofahrt von beiden Hotels entfernt.

Sehenswürdigkeit: Die Sankenbachwasserfälle, eine halbe Stunde Autofahrt von Baiersbronn entfernt. Der zweistufige Wasserfall stürzt an der steilen Karwand mit voller Gewalt hinunter.

Wandern: Einer der Baiersbronner Himmelswege: Eindrucksvolle Wanderung vom Tonbachtal über alte Holzmacherpfade.

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