Die Zukunft der Hotelbranche: Am Vierwaldstättersee hat das weltweit erste Hotel eröffnet, das sich der Neurologie widmet.

Ich fahre am Ostufer des Vierwaldstättersees entlang. Der See glitzert, als ich den Hafen an der Seepromenade passiere – bestimmt 100 Yachten liegen hier und schaukeln sanft im Wind. Vitznau hat sich in den letzten Jahrzehnten total gemacht und mutet mit seinen Zedern, Zypressen und üppiger Blumenpracht sehr mediterran an. Bekannt gemacht hat den Ferienort am Fuß der Rigi auch das renommierteste Hotel am Platz, das Parkhotel Vitznau (mit dem vielleicht weltbesten Weinkeller) und auch der Vitznauerhof mit seinem idyllischen Park am See.

Der Vierwaldstättersee ist einer der schönsten Seen Europas (Foto: Carsten K. Rath)

Heute aber will ich die neueste Attraktion in Vitznau erkunden: das erste Neuro-Campus-Hotel der Welt: „Das Morgen“.

Das Neuro Campus Hotel „Das Morgen“ von außen (Foto: Carsten K. Rath)

Eingecheckt habe ich über die hoteleigene App. Mein Iphone dient mir in den nächsten Tagen als Zimmerschlüssel und zur Lichtsteuerung. In der Lobby – ganz ohne Rezeption – treffe ich auf Resident-Manager Tim Moitzi. Ich frage ihn was sein brandneues Hotel mit Neurologie zu tun hat: „Alles was wir beim Schlafen oder beim Essen tun, hat immer etwas mit unserem neurologischen System zu tun. Und genau das versuchen wir hier im Neuro-Campus darzustellen.

Die Idee zu diesem neuen Hotel-Produkt hatte der österreichische Unternehmer, Investor und Visionär Peter Pühringer, der die Gegend um den Vierwaldstättersee liebt und hier bereits das Parkhotel Vitznau und das Campus-Hotel Hertenstein besitzt. Zudem betreibt er die international anerkannte Reha-Klinik für neurologische Erkrankungen in Weggis. Ziel seiner Neuro Culinary Center AG ist es Investitionen in Hotellerie und Gastronomie zu schaffen, indem „Produkte, Prozesse und Präzision im Bereich der Kulinarik weiterentwickelt werden“.

„Das Morgen“: Gastroroboter für mehr Service

Jedes der 54 Zimmer hier ist anders. Es gibt: klassische Doppel-Zimmer, Zimmer mit zwei oder drei Schlafbereichen und auch Mehrbettzimmer für Gruppen.

Das ungewöhnliche Hotel gliedert sich in vier Gastzonen, die sich auf das Erdgeschoss und das Dach als fünftes Obergeschoss verteilen. Die Bereiche heißen „gestern“ (mit klassisch-lokaler Küche in einer heimeligen Schweizer-„Stübil“), „heute“ (mit vegetarischer und veganer Ausrichtung) und eben vor allem: „morgen“ auf experimenteller Ebene.

Auch und gerade beim Essen setzt das Neuro Campus Hotel auf technische Mittel. Noch im Zimmer habe ich in der „Taste 4 me“-App mein individuelles Gastro-Profil erstellt – um Allergien, bevorzugte Lebensmittel, Vorlieben zu vermerken. Tim erläutert mir, dass ich dadurch nun personalisierte Menüvorschläge erhalte und die Gerichte dann einzeln und exakt bewerten kann. Der Algorithmus verhindert, dass mir nochmal Speisen vorgeschlagen werden, die mir nicht geschmeckt haben. Die von mir bevorzugten Zutaten werden von den Campus-Köchen zum persönlichen Menu finalisiert.

Die Zukunft der Hotellerie entsteht in der Schweiz

Dann wird es spannend für mich: „Vitzi“ (von Vitznau) und „Telli“ (von Tellerträger) rollen heran: meine Roboterkellner für den Abend. Kleine Kinder aus der Region haben sich die putzigen Namen ausgedacht.

Ich lerne: Die Gastroboter können von der Begrüssung im Restaurant bis zum Zimmerservice inklusive Liftnutzung für verschiedene Prozesse genutzt und optimiert werden. Entwickelt wurden die erstaunlich wendigen elektronischen Helfer von der Schweizer Firma Sebotics (sebotics.com). Die Serviceroboter der neuesten Generation können Gerichte und Geschirr zwischen Küche und Gasträumen transportieren, dem Servicepersonal unnötige Wege abnehmen und Stoßzeiten überbrücken helfen. Der Gastronom hat dann letztlich – indem Prozesse geshortet und ersetzt werden – wieder mehr Zeit für seine Gäste.

Vitzi und Telli: „… wehe, wenn sie losgelassen“ (Foto: Carsten K. Rath)

Das Konzept scheint mir extrem schlüssig: Personal nicht ersetzen, aber entlasten. Gerade beim derzeitigen Fachkräftemangel ein sehr sinnvoller Ansatz – bevor die Personalengpässe zu einem noch größeren Desaster führen, als sie es aktuell eh schon sind.

Serviert vom Service-Roboter: Dinner im „Das Morgen“ (Foto: Carsten K. Rath)

Personalisierte Ernährung im „Das Morgen“

Ich laufe zur Talstation der Rigi-Bahn im Ort, eine der ältesten Zahnradbahnen der Welt. Dieser voralpine Gebirgstock ist eine der beliebtesten Schweizer Touristen-Attraktionen – mit nicht weniger als sieben (!) Bergbahnen kann man die Rigi – die Königin der Berge – erobern. Ich fahre mit purer Nostalgiefreude im historischen Wagen und rauchender Dampflok in einer halben Stunde hoch auf Rigi-Kulm.

Der nostalgische Rigi-Express (Foto: Carsten K. Rath)

Vom Rigi-Hauptgipfel (1797 m) bietet sich eine phantastische Rundsicht über den See und große Teile der Alpen. Ich denke an Mark Twain und seine schillernde Beschreibung eines Sonnenaufgangs, den er auf der Rigi begeistert genossen hat – tatsächlich ist es frühmorgens hier am eindrucksvollsten.

Traumblick bei der Rigi-Auffahrt auf den Vierwaldstättersee (Foto: Carsten K. Rath)

Auf der Rückfahrt unterbreche ich auf halbem Weg und gönne mir eine Auszeit im Rigi Kaltbad-Spa, das der Schweizer Architekt Mario Botta sehr gelungen aus Naturstein geschaffen hat. Ich geniesse vor allem den Ausblick vom Außenpool auf dem Dach.

Fazit: „Das Morgen“ hier in Vitznau ist mehr Versuchslabor der Hospitality-Zukunft als Hotel, ein Vergleich mit anderen Businesshotels verbietet sich eigentlich. Mich fasziniert das neue Neuro-Hotel-Konzept. Früher haben wir Hoteliers versucht, den Gästen jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Heute hilft dabei neueste Technologie. Zimmer und Menüpläne z.B. werden exakt auf jeden einzelnen Gast abgestimmt.

Ein eigener Kosmos: „Das Morgen“-Welt in Vitznau (Foto: Carsten K. Rath)

Mir hat es großen Spaß gemacht in diese neue spannende Erlebniswelt einzutauchen und Hotel-Menschen zu erleben, die sich endlich mal auf den Weg machen, etwas wirklich Neues auszuprobieren.

Ich bin froh, dass es Vordenker wie Peter Pühringer gibt, der viel Geld in die Hand nimmt und die Hotellerie mit seinem Ansatz fortan quasi vor sich her treibt. Das innovative Konzept im „Das Morgen“ mit seinen zukunftsweisenden Erkenntnissen der neurowissenschaftlichen Forschung funktioniert bereits eindrücklich. Das Neurologie-Themen-Hotel brummt spürbar und ist meist ausgebucht, die Raten sind schon so kurz nach dem Start bemerkenswert hoch. Der Mut dem Gast etwas revolutionär Wegweisendes anzubieten bewährt sich hier im beschaulichen Vitznau tatsächlich.

„Everybody wants change, but nobody wants to change“

Ich bin begeistert all das erlebt zu haben. Die intensive Vernetzung von Innovation und Forschung mit dem klaren Ziel das persönliche Wohlergehen zu steigern. „Das Morgen“ ist die momentan wohl spannendste Gastro- und Hotel- Versuchsküche weltweit – und lässt mich erahnen, wie Hotelaufenthalte der Zukunft und die Gastronomie 3.0 aussehen werden.

Insidertipps:

Sehenswürdigkeit: Ein faszinierendes Labyrinth im Berg. Die Artilleriefestung Vitznau wurde im zweiten Weltkrieg als Verteidigungsbollwerk gebaut und war lange Staatsgeheimnis. www.festung-vitznau.ch

Restaurant: im „Sens“ kocht der junge holländische Wilde Jeroen Achtien auf höchstem Zwei Sterne-Niveau. Raffinierte Menüs mit vielen regionalen Komponenten. Das traumhafte Setting direkt am Seeufer bietet den grandiosesten Sonnenuntergangsblick überhaupt.

Schiffstour: Fahrt mit dem Dampfschiff idyllisch von Vitznau in gut einer Stunde nach Luzern oder einmal quer über den See nach Beckenried und dann mit der Seilbahn hoch ins Wanderparadies Kiewenalp (1600 m). www.lakelucerne.ch

Raths Reiserating:

1.Ausdrückliche Reisewarnung
2.Besser als unter der Brücke
3.SO LALA, NICHT OH, LÀ, LÀ
4.Meckern auf hohem Niveau
5.Wenn’s nur immer so wäre
6.Ganz großes Kino

(Vitzi bringt das Essen)

Weitere Fotos:

Roboter Telli (Foto: Carsten K. Rath)
Roboter im Ruhezustand (Foto: Carsten K. Rath)
Spätsommer am Vierwaldstättersee (Foto: Carsten K. Rath)

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