Ich bin unterwegs nach Interlaken, touristische Drehscheibe im Berner Oberland und der reizvollen Region zwischen Thuner- und Brienzer See. Von dieser Lage auf 569 Meter Höhe zwischen den beiden Seen (lateinisch: inter-lacus) hat Interlaken seinen Namen. Einst wurde hier der Alpentourismus erfunden: bereits im 14. Jahrhundert gab es in Interlaken das erste Hotel und die ersten Gäste (darunter illustre Berühmtheiten wie Lord Byron, Felix Mendelssohn Bartholdy, Johann Wolfgang von Goethe und Lev Nikolajewitsch Tolstoj).
Mein Hotel für die nächsten Tage, das Grandhotel Victoria-Jungfrau Hotel & Spa, liegt, wie im Bilderbuch, malerisch eingebettet zwischen den Flüssen und den Seen – am Fusse des grandiosen, ganzjährig schneebedeckten Jungfrau-Massivs.
Die Geschichte des Grandhotels führt in die Frühzeit des Schweizer Tourismus zurück und hat seine Wurzeln im Jahr 1865. Damals wurde aus dem einstigen Arzthaus durch die Kombination zweier Gebäude das Hotel Victoria-Jungfrau. In den Jahren der Belle Époque erlebte Interlaken mit dem Bau mehrerer Bergbahnen einen touristischen Boom, der jedoch mit dem Ersten Weltkrieg ein jähes Ende fand. Erst der Beginn der Dampfschifffahrt auf den beiden Seen schuf dann die wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung des Tourismus in der Region.
Das Victoria-Jungfrau liegt am Höheweg, eine von luxuriösen Häusern und Hotels gesäumte Promenadenstraße, sozusagen der Boulevard von Interlaken. Das denkmalgeschützte Fünfsterne-Hotel ist Mitglied der Leading Hotels of the World und gehört heute zu den besten Schweizer Hotels.
Ich steige aus und bin sofort eingenommen von dem unvergleichlich schönen, unverbauten Blick auf das Jungfraumassiv mit seinen drei Gipfeln Eiger, Mönch und Jungfrau.
In der riesigen lichtdurchfluteten Hotelhalle beeindrucken mich livrierte Hoteldiener, üppige Blumengestecke und eine Decke, die so hoch ist, dass ich meinen Kopf weit in den Nacken strecken muss. Spontan ahne ich, wie das damals war, in der „goldenen Zeit“ von Interlaken, als die Künstler, Majestäten und Schriftsteller aus aller Welt hier durch die prachtvolle Halle wandelten.
Mir gefällt die Mischung aus Stil, Eleganz und Grosszügigkeit früherer Zeiten im Kontrast mit überall wahrnehmbarem modernen Luxus und Komfort. Ich spüre schon hier beim Entree eine irgendwie unangestrengte Eleganz, die sich später überall im Haus fortsetzt.
Heute gehört das Victoria-Jungfrau, wie auch das Bellevue Palace in Bern, das Eden au Lac in Zürich, das Crans Ambassador in Crans-Montana und neu das Mont Cervin und das Monte Rosa in Zermatt, zur Michel Reybier Hospitality. Der französische Unternehmer mit Wohnsitz Genf betreibt neben Luxushotels, Privatkliniken und das Weingut Cos d’Estournel.
Ich erkunde das Haus und bin erstaunt wie rein und makellos hier alles ist. Man sieht keine Macke, das ganze Haus wirkt, als ob gerade eben die Putzkolonne durchgelaufen ist und alles blitzeblank sauber gemacht hat. Auch an den zahllosen gepflegten Pflanzen überall im Hotel entdecke ich kein einziges braunes Blatt.
Das erste Mal war ich vor vielen Jahren hier im Hotel – als Redner auf einer Konferenz. Seitdem ist das Haus sehr viel besser geworden. Das Spa ist absolute Weltklasse, vor allem der Fitness- und Gym-Bereich ist unglaublich, auch das Sportprogramm ist großartig. Das Hotel hat einen internationalen Flair mit Gästen aus aller Welt und ist nach der Corona-Krise spürbar kraftvoll und überzeugend zurück.
Seit Peter Kämpfer, Grandseigneur der Hotellerie und langjähriger Direktor im Parkhotel Weggis am Vierwaldstätter See, hier das Kommando führt, läuft der Laden und geht mit dem Puls der Zeit – regelmässig wird erweitert und renoviert.
Beachtlich ist mittlerweile auch wieder die Gastronomie. Das frühere Fine-Dining-Restaurant ist jetzt eine klassische französische Brasserie mit einer erweiterten superschönen Terrasse, die bis zur Straße führt. Hier im „La Terrasse“ gibt es authentisch-lokale Gerichte auf 16 Punkte-Gault Millau-Niveau, über 600 Weine mit Schwerpunkt Schweiz – und dazu ein modernes-lockeres Ambiente.
Bald kommt im Herbst noch ein neues Gourmetrestaurant hinzu: „Radius by Stefan Beer“. Das authentische „Z‘Menu Vo Hie“ („Das Menü von hier“) wird dann ausschließlich mit Zutaten von lokalen Produzenten aus einem Umkreis von 50 Kilometern gekocht. Beer pflegt dazu eine enge und persönliche Beziehung zu den Jägern, Fischern, Käsern, Bauern und regionalen Produzenten, die die Zutaten für seine lokalen Kreationen liefern. Aus dem Victoria-Jungfrau-Garten stammen Kräuter, Beeren und Nüsse. Mir gefällt das Konzept und auch, dass das neue Gourmetrestaurant nur 30-40 Sitzplätze haben wird – optimale Bedingungen für einen sehr persönlichen Service.
Auch das italienische „Ristorante e Pizzeria Sapori“ ist besonders: ich bin beeindruckt von dem historischen Jugendstil-Saal von 1864. In dieser grandiosen Atmosphäre werden Antipasti, mehr als zwei Dutzend Pizzen aus dem Holzofen und klassische italienische Fleisch-, Fisch- und Pastagerichte serviert. Alles hier ist unkompliziert und authentisch italienisch. Bei schönem Wetter sitzt man draußen, italianità, direkt an der Flaniermeile von Interlaken.
Im Sapori treffe ich Paula wieder, eine Service-Mitarbeiterin. Sie erinnert sich an den Wein, den ich vor zwei Jahren hier beim Italiener getrunken habe und empfiehlt mir den gleichen Wein, verweist nur darauf, dass sich der Jahrgang geändert hat. Dann stellt sie mir auch noch ihre reizende Mama vor, die sie aus Heidelberg hierher geholt hat und jetzt mit ihr hier im Service arbeitet. Familiärer und gleichzeitig professioneller geht es nicht.
Apropos Service: der ist im ganzen Haus ohne jeden Tadel, stets diskret und dem Gast zugewandt – äußerst liebenswürdig, offen und kommunikativ. Hier im Hotel herrscht offensichtlich kein Mitarbeiter-Problem.
Am nächsten Morgen sitze ich beim Frühstück auf der Terrasse und geniesse von neuem den atemberaubend schönen Blick auf die Berge des Berner Hochlandes, die Landschaft hier hat übrigens J.R.R. Tolkien zu „Herr der Ringe“ inspiriert. Ich schaue nach oben und bin fasziniert: Dutzende Gleitschirmflieger schweben elegant und anmutig am dunkelblauen Himmel vor den Bergflanken – die speziellen Winde machen es hier besonders einfach. Irgendwann landen sie auf der tiefgrünen Wiese vor dem Hotel. Die Natur-Farben hier im Schweizer Hochgebirge, das wird mir wieder bewusst, sind einfach satter und strahlender als irgendwo sonst.
Interlaken gilt in der Schweiz übrigens als Abenteuerhauptstadt. Sprünge von Steilwänden und Brücken, Wildwasserrafting auf reißenden Flüssen, Canyoning in den Schluchten der Bergtäler ringsherum, Gletscher-Bungeejumping und vieles mehr.
Ich gehe es heute etwas ruhiger an und spaziere – man kann Interlaken bequem ohne Auto erkunden – vom Hotel vorbei am historischen Kursaal und dem bekannten Spielkasino ins Bödeli, so heisst das mittelalterliche Altstadtviertel von Interlaken. Hier reiht sich ein Restaurant und Café ans nächste. Mir fällt im Städtchen die bunte und interessante Mischung von Menschen unterschiedlichster Kultur auf: viele Araber, Japaner, Inder, Deutsche und Amerikaner. Und mir gefällt das breite Food-Angebot hier in Interlaken, das so multikulturell ist, wie z.B. an der Zürcher Langstrasse. Wenn man weiss, wo, kann man hier hervorragend japanisch, libanesisch, italienisch oder indisch essen.
Zurück im Hotel freue ich mich auf Entspannung und erkunde das spektakuläre Victoria-Jungfrau Spa auf 5500 Quadratmetern. Architektonisches Herzstück ist die imposante lichtdurchflutete Schwimmhalle, die mich spontan an die Badekultur der Römer erinnert. Ich bin beeindruckt von den monumentalen Ausmaßen und von der auch hier durch die großen Fenster allgegenwärtig magische Bergkulisse. Und mir fällt wieder auf wie gepflegt alles ist.
Das Spa stützt sich auf die wissenschaftliche und medizinische Kompetenz der Marke Nescens, die vor über 15 Jahren von Professor Jacques Proust, einem renommierten Pionier der Anti-Aging-Wissenschaft entwickelt wurde.
Mir fällt auf: der Wellness-Bereich lebt auch von den Kontrasten. Das fast filigrane Interieur mit vielen runden Formen und die raue Bergkulisse im Hintergrund. Noch etwas näher komme ich den drei bekannten Schweizer Bergen dann draußen beim Relaxen im Outdoor-Sole-Sprudelpool.
Am Ende eines erlebnisreichen Interlaken-Aufenthaltes sitze ich in der Bar auf der säulenbestückten Terrasse vor dem Hotel und schaue hoch auf das schneebedeckte imposante Jungfraumassiv. Die Sonne geht unwirklich eindrucksvoll hinter den Berggipfeln unter und ich denke nur: was ist das hier bloß für ein wunderschöner Ort …
Raths Reiserating:
1.Ausdrückliche Reisewarnung
2.Besser als unter der Brücke
3.SO LALA, NICHT OH, LÀ, LÀ
4.Meckern auf hohem Niveau
5.Wenn’s nur immer so wäre
6.Ganz großes Kino
Insidertipps:
Restaurant: Das libanesische Restaurant Layali Beirut hat über Interlaken hinaus einen hervorragenden Ruf. Unbedingt reservieren! https://layalybeirutinterlaken.ch
Panorama: Die Schynige Platte auf 1967 Metern Höhe oberhalb von Interlaken. Nostalgische Fahrt mit der Zahnradbahn ab Wilderswil. Grandiose Panoramasicht auf das Berg-Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau. Alpengarten mit über 600 Arten heimischer Flora.
Sehenswürdigkeit: die Beatushöhlen in Beatenberg mit beeindruckenden unterirdischen Wasserfällen. www.beatushoehlen.ch
Kultur: das stattliche weiße Schloss Spiez. www.schloss-spiez.ch
Wanderweg: der Panorama-Rundweg Thunersee auf 56 Kilometer Länge. www.brueckenweg.de
Schönste Bucht: im pittoresken Spiez im Westen des Thunersees – in der halbmondförmigen Bucht wachsen dank des milden Klimas Palmen an der malerischen Uferpromenade.
Aussichtsberg: der Interlakener Hausberg Harder Kulm (1322 m) ist in einer 8 minütigen Standseilbahn-Fahrt erreichbar. Herrlicher Rundblick auf Seen und Berge.