Der Mythos Sacher strahlt auch außerhalb von Wien

Nach dem Großumbau mussten große Feierlichkeiten Corona-bedingt ausfallen. Sie wären angemessen gewesen: Das Sacher Salzburg bleibt in der Extraklasse.

Einen Mythos in die Moderne zu retten, ist nicht leicht. In Salzburg ist es nun aber gelungen: Nach sechs Jahren Großumbau bei laufendem Betrieb und einem Investment in zweistelliger Millionenhöhe sollte das Traditionshaus Sacher ab Juni eigentlich wieder voll durchstarten. Zwar mussten große Feierlichkeiten Corona-bedingt abgesagt werden – doch auch wenn sich die Pforten des Grandhotels zunächst leise, mit Mundschutz und Sicherheitsabstand, geöffnet haben: Der Glanz des „Mythos Sacher“ strahlt in Salzburg wieder in voller Pracht.

Wiens kleine, schöne Schwester

Das Hotel Sacher in Wien kennt jeder, die legendäre Torte selbstredend auch. Dass es in Salzburg ebenfalls ein Hotel Sacher gibt, ist zwar kein Geheimtipp, doch eine Berühmtheit um seiner selbst willen, so wie die große Wiener Schwester, ist das Fünf-Sterne-Haus sicher nicht. Dabei funktioniert der Schmäh auch ohne Wien perfekt. Ich war hier schon mehrfach zu Gast und das Sacher Salzburg gehört in meinen Augen ohne Zweifel zu den besten Hotels Österreichs.

Dazu sei gesagt, dass Salzburger Hotels bei mir ohnehin einen großen Vorteil haben: Sie liegen in einer meiner absoluten Lieblingsstädte. International und weltmännisch, aber trotzdem klein und überschaubar genug, um immer gemütlich zu sein. Wenn ich Salzburg in drei Worten beschreiben müsste, würde ich sagen: Kunst, Kultur und Klasse.

Eigentlich bräuchte ich aber vier Begriffe, denn auch das Beste der herrlichen österreichischen Küche wird hier auf hohem Gourmet-Niveau umgesetzt. Ebenfalls ein Pluspunkt: In der Stadt gibt es eigentlich nur A-Lagen. Sie ist so klein, dass die Lage mit „Salzburg“ schon hinreichend beschrieben ist.

Wenn hier dann aber doch so etwas wie eine Premium-Lage existiert, gehört sie zweifelsfrei dem Sacher: Kaum habe ich mein Zimmer nach dem Check-in betreten, öffne ich die Fenster und genieße neben dem Blick auf die historische Altstadt vor allem das Rausch der Salzach, die direkt vor dem Haus vorbeifließt. Staatsbrücke, Linzer Gasse und Kapuzinerberg liegen ebenfalls vor der Tür.

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Die Location an der Uferpromenade befindet sich genau zwischen den beiden Mozart-Häusern: nördlich ist das einstige Wohnhaus des berühmtesten Salzburgers zu finden, südlich und am anderen Ufer liegt sein Geburtshaus. Das große Festspielhaus ist nur 700 Meter Fußweg und damit einen angenehmen Spaziergang entfernt.

Das Hotel Sacher Salzburg ist kleiner als die Wiener Schwester, daran hat sich durch Umbau und Renovierung nichts geändert. 110 Zimmer und Suiten in diversen Größen und Kategorien und stehen zur Auswahl. Von gemütlichen 20 Quadratmetern im bis zu hochherrschaftlichen 150 in der Präsidentensuite mit eigenem Salon.

Neues Design bringt Tradition und Moderne zusammen

Privat geführte Fünf-Sterne-Hotels werden weltweit leider immer mehr zur Rarität. Das Sacher ist aber immer noch ein Familienunternehmen. Alexandra Winkler ist nicht nur Eigentümerin und führt die Geschäfte der Holding, sie ist auch verantwortlich für das neue Interior-Design. „Trendition“ nennt sie es – eine Verbindung von zeitgemäß luxuriösem Design und der noblen Tradition der Marke Sacher. Zugegeben, ich war zunächst skeptisch. Aber hier funktioniert es tatsächlich: Originalgemälde, Antiquitäten und Kristalllüster treffen auf hochmoderne Annehmlichkeiten. Das Ergebnis ist ein überraschend harmonischen Gesamtbild..

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Mehr Wert als Prunk und Marmor: Die Mitarbeitenden

Wenn Sie meine Kolumne öfter lesen, wissen Sie, dass es für mich einen ganz wesentlichen Indikator für die wahre Qualität des Service gibt. Werde ich mit Namen angesprochen – oder nicht. Für mich fällt diese Geste deutlich stärker ins Gewicht, als jeder zusätzliche Stern. Denn nichts macht den Aufenthalt persönlicher als der Name. So konsequent wie im Sacher in Salzburg habe ich die Ansprache jedoch selten erlebt: Hier ist der Name Gesetz. Ich werde überall persönlich angesprochen. Selbst die Reinigungskraft, der ich auf dem Weg zu meinem Zimmer begegne, spricht mich ohne Zögern mit meinem Namen an – kurz nach dem Check-in.

Auch darüber hinaus überschlagen sich die Mitarbeitenden vor Freundlichkeit, wirken dabei aber niemals gestellt oder gar aufdringlich, sondern immer aufmerksam und genau in der richtigen Dosierung am Gast. Auf meinem Zimmer gibt es frisch geschnittene Rosen und jeden Tag finde ich eine kleine Überraschung. Naschereien aus der Patisserie, bei denen die berühmte Torte natürlich nicht fehlen darf. Täglich frisches Obst. Ab dem zweiten Tag leitet der Service aus dem, was ich verspeist habe, offensichtlich Präferenzen ab und stockt mein Lieblingsobst direkt auf. Gleiches gilt für die Getränke. In allem schwingt absolute Aufmerksamkeit mit. Hier wird eine Form von Luxus zelebriert, die ich nicht häufig finde. Vielleicht gefällt mir das Sacher auch deswegen so gut. Ich fühle mich hier nicht so wohl wie im eigenen Zuhause. Ich fühle mich noch wohler!

Diese Art von Gasterlebnis erreicht man weder mit edlem Parkett noch mit poliertem Marmor, sondern einzig und allein durch die Atmosphäre und die Herzlichkeit, die das Personal verbreitet. Das steht im Sacher schon lange unter der Leitung von Armie-Angélique Weinberger, die bei meinem letzten Besuch im Sacher Lassiwe noch mit Nachnamen hieß. 2015 kam die Hanseatin vom Hotel Atlantic nach Salzburg. Eigentlich sollte die Mozartstadt nur eine Zwischenstation in ihrer internationalen Hotelkarriere sein. Doch sie kam vom Sacher nicht mehr los, wurde von der Empfangschefin zur Direktorin und leitet nun die Geschicke des Hauses mit extrem großer Liebe zum Detail.

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Leichte Schwächen finden sich in der Gastronomie

Bei so viel Positivem bin ich von der Gastronomie dann doch etwas enttäuscht. Vielleicht aber auch weil der Service sonst so außerordentlich hell strahlt. Denn das Frühstück ist gut, keine Frage, aber eben nicht exzellent. An der Qualität der Produkte liegt es nicht: Fans der allgegenwärtigen Torte können das erste Stück schon am Morgen genießen und auch die übrigen süßen Verlockungen sind vom Feinsten. Die Selektion von handgeschnittenem frischen Obst ist überzeugend, aber die Brot- und Müsliauswahl könnte umfangreicher sein. Hier ließe sich mehr aus der fantastischen österreichischen Backtradition und den regionalen Produkten des Umland machen. Auch der Service ist beim Frühstück ausnahmsweise nicht optimal und könnte wohl ebenfalls einen Koffeinkick vertragen: Leere Saftkrüge werden zu lange nicht nachgefüllt und auf einen Sonderwunsch muss ich einen Hauch zu lange warten.

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Neue Ideen konnten nicht ganz durch die Krise retten

Die Corona-Krise hat nicht nur durch die geplante Eröffnungsfeier einen Strich gemacht. Laut Sacher-Mastermind Matthias Winkler, der als Geschäftsführer das operative Geschäft leitet, hat die Corona-Krise im Sacher ein Umdenken angestoßen. Die dramatischen Ausmaße, mit denen die gesamte Branche zu kämpfen hat, haben auch hier klar gemacht. Es reicht nicht, sich auf seinen Lorbeeren oder – in diesem Fall wohl passender – auf seiner Torte auszuruhen. Statt wie früher tausende Torten zu verkaufen, sank die Produktion in der Pandemie auf nur noch ein Drittel.

Die Krise wurde zum Katalysator für neue Ideen. So gibt es jetzt zum Beispiel Sacher Eis, das in Wien schon vom Eiswagen „to-go“ verkauft wird. Und noch eine Neuheit machte in unserer Travel-Branche die Runde. Denn die Sacher Hotels haben in Krisenzeiten eine alte Tradition in neuen Glanz gepackt. Mit Social-Distancing und Mindestabstand kam das Konzept des Séparées zurück. Schon im 19. Jahrhundert zur Zeit von Hotelière Anna Sacher, als die Habsburger, Künstler und Politiker im Sacher ein und aus gingen, erfreuten sich die „Chambres Séparées“ großer Beliebtheit. Mitte diesen Jahres feierte die Idee ihr Comeback und die Suiten wurden zu exklusiven Minirestaurants, die für bis zu drei Stunden zum Frühstück, Lunch oder Dinner angemietet werden können. Maximal vier Personen sind erlaubt und bekommen ein 3-Gänge-Menü vom eigenen Butler serviert. Welches Zimmer des Gast als sein Séparée bekommt entscheidet sich erst beim Check-in. Kostenpunkt: um die 120 Euro pro Person.

Und dennoch: Mit gleich zwei Luxus-Hotels in absoluten Premium-Lagen in Salzburg und Wien war die Familie Winkler in der Krise einer extremen Doppelbelastung ausgesetzt. Die Sacher-Hotels sind vor allem für ihren einzigartigen Service mit persönlicher Note berühmt. Für ein so exklusives Gasterlebnis beschäftigte die Hoteliers-Familie rund 800 Mitarbeitende. Vor der Krise. Denn man muss nicht Betriebswirtschaft studiert haben, um nachzuvollziehen, dass so hohe Personalkosten ohne Einnahmen schlichtweg nicht dauerhaft zu stemmen sind. Bei einem Anteil von fast 90 Prozent internationaler Gäste haben Reisewarnungen und wochenlanger globaler Lockdown in letzter Instanz dann doch ihren Tribut gefordert. Zwar mussten in Salzburg weniger Mitarbeitende gehen, als in Wien, ganz ohne Kündigung ging es aber auch hier nicht. Letztlich war das Sacher nicht einmal während der Festspiele, wenn normalerweise im Einzugsgebiet der Stadt keine Luftmatratze mehr zu haben ist, voll belegt. Im letzten Jahr wären solche Szenarien noch undenkbar gewesen. Für ein Haus, in dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in vielerlei Hinsicht als erweiterte Familie gelten, sind das düstere, frustrierende Zeiten.

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Jetzt heißt es Kurs halten: Keine Kompromisse bei der Qualität

Als Gast bekommen ich von dem, was sich hinter den Hotelkulissen abspielt, jedoch nichts mit. Ich habe hier erneut die kompromisslose Gastfreundschaft und Professionalität jedes einzelnen Mitarbeitenden gespürt. Vom hohen Kostendruck dagegen nichts. Hygiene-Konzepte sind optimal umgesetzt. Hoch effizient aber niemals auffällig. Selbst mit Mundschutz verliert das Hotel kein bisschen an Charme und Eleganz. Das ist an sich schon Meisterleistung, die dem Hotel-Team meinen Respekt sichert. Zum anderen zeigt sich aber auch, dass hier ein ganz wesentlicher Aspekt der Luxushotellerie verinnerlicht wurde. Gerade in Krisenzeiten ist der Reflex natürlich groß, alles herunter zu sparen. Das was der Gast sieht, genauso wie das, was der Gast nicht sieht. In den letzten Wochen habe ich des Öfteren festgestellt, dass nicht jeder Hotelier wirklich unterscheiden kann, was der Gast wahrnimmt und was nicht. In dieser Hinsicht wurden meiner Meinung nach in anderen Hotels dieses Jahr Fehlentscheidungen getroffen, die böse Folgen haben können. Ganz anders dagegen im Hotel Sacher. Hier wird eisern an der Philosophie festgehalten. Wo andere Hotels die Bademäntel wegräumen, die Schlappen verstecken und dem Gast nur noch ein Handtuch rauslegen, ist hier alles wie immer. Nämlich luxuriös mit entspanntem Selbstverständnis. Hier wurde verstanden, dass Kundenbindung in der Krise wichtiger denn je ist. Gleichbleibend hohe Qualität, bester Service ohne Wenn und Aber, ist die einzige Strategie mit Aussicht auf langfristigen Erfolg. In Deutschland ist hier zum Beispiel das Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg ein Bruder im Geiste. Eine Einstellung die mir aus dem Herzen spricht. Denn ich bin überzeugt, dass Hotels die konsequent an ihrem Werteversprechen festhalten, schneller und stärker aus der Krise herauskommen werden.

Mein Fazit: Österreichische Gastfreundschaft auf den Punkt gebracht

Salzburg – und natürlich die herrliche Natur und die Skigebiete in der Umgebung – ist für mich immer einer Reise wert. Wenn Sie herkommen, gönnen Sie sich das Erlebnis Sacher. Das Hotel ist ein exzellentes Haus mit extrem hohen Standards und wenigen Schwächen. Gerade in der Krisenzeit stellt das Hotel den hohen Anspruch an sich selbst und an ein tadelloses Gasterlebnis mit Bravour unter Beweis. Dass man so in Salzburg auch die große Herausforderungen der nächsten Monate meistert, wünsche ich dem Sacher von ganzem Herzen. Schließlich möchte ich hier auch in Zukunft zu Gast sein.


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