Dieses Tiroler Hotel bringt Luxus und Nachhaltigkeit zusammen

Mit seiner Natürlichkeit setzt das neu eröffnete Forestis Dolomites neue Maßstäbe im Luxussegment. Noch ist es ein Geheimtipp – aber wohl nicht mehr lange.

Ich habe etwas verloren. Im Wald. Genauer gesagt in den Südtiroler Dolomiten. Und wenn Sie es ganz genau wissen möchten: auf 1800 Höhenmetern. Da muss sie mir abhanden gekommen sein. Meine Sachlichkeit.

Denn wie es so ist, mit dem Verlieren, ich weiß nicht mehr ganz genau, wo ich sie zuletzt hatte: die praktische, die bodenständige Perspektive, die nun einmal Grundvoraussetzung für meinen Beruf ist. Ich denke, es muss unten in Brixen gewesen sein. Oder eventuell noch auf den 18 Kilometern, die ich hoch zur kleinen Ortschaft Palmschoss auf dem Südhang des Plosebergs gefahren bin. Hier oben war sie dann irgendwann weg.
Doch lassen Sie mich von vorn beginnen, und sehen Sie mir etwaige, untypische Begeisterungsstürme und emotionale Schwelgerei bitte nach.

Alleinlage. Ein hübsches Wort. Ein etwas melancholisches Wort. Wer das Forestis besucht, bekommt ein neues Verständnis von Alleinlage. Auf der Plose, mitten im tiefsten Wald, erheben sich drei komplexe Türme. Wie große Baumstämme oder wie die charakteristischen Bergspitzen, die hier oben das Panorama bestimmen.
Obwohl die Architektur hypermodern scheint, die Harmonie mit der Natur bricht sie nicht. Auch nicht die Linie zum historischen Haupthaus, das sich immer noch an die Füße des Neubaus schmiegt. Das Forestis ist ein echtes Hideaway, ein Rückzugsort in der Natur. Kaum angekommen, verspüre ich hier schon eine angenehme Ruhe und Entschleunigung.

Generationenwechsel bei den Herren des Waldes

Zeit für eine kleinen Retrospektive: Im Jahr 2000 entdeckte der Südtiroler Hotelier Alois Hinteregger hier ein altes Holzgebäude in bester Hanglage. Mit einer Aussicht auf das „Tor zum Himmel“, wie das Bergpanorama, das zum UNESCO Weltnaturerbe zählt, genannt wird.

Von Luxus war hier vor 20 Jahren jedoch herzlich wenig zu spüren. Das Anwesen, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Sanatorium für Lungenkranke gedient hatte, war komplett heruntergekommen. Doch Hinteregger war fasziniert von diesem Platz, mit der reinen, salzhaltigen Höhenluft, dem gesunden Quellwasser und auch vom Potenzial des Hauses. Als Vollbluthotelier hatte er eine Vision von dem, was hier entstehen könnte. Er kaufte das Haus, renovierte von Grund auf und führte seit 2009 hier das erfolgreiche Hotel Rosalpina.

Gute zehn Jahre später wird auf der Plose ein neues Kapitel Hotelgeschichte geschrieben. Aus dem Rosalpina wird das Forestis Dolomites. Das erste Fünf-Sterne-Hotel im Tiroler Eisacktal. Treibende Kraft hinter dem 30 Millionen Euro teuren Umbau ist nicht mehr Hinteregger senior, sondern der Junior. Gemeinsam mit Partnerin Teresa Unterthiner lenkt jetzt Stefan Hinteregger die Geschicke des Hotels. 62 neue Suiten entstanden, ein moderner Spa, ein völlig neues Designkonzept und ein erstklassiges Restaurant. Zu Letzterem später noch mehr.

Aussenansicht. @Fotestis Dolomites
Aussenansicht. @Fotestis Dolomites

Natur und Stille als nachhaltiges Geschäftsmodell

Das Forestis Dolomites ist etwas ganz Besonderes. Das merke ich schon bei der Ankunft. Auf rustikale Berghütten-Nostalgie wurde bewusst verzichtet. Der erste Eindruck ist einer von Weite, von Klarheit und von Natur. Beim Umbau wurde viel Wert auf nachhaltige, CO2-neutrale Bauweise und auf den Bezug zum Lokalen gelegt. Selbst in der Wahl des Architekten, denn man entschied sich für das Architekturbüro Assagio mit Armin Sader aus Brixen. Allein das ist mir schon sympathisch.

 

Auch die Materialien, die verbaut wurden, stellen immer wieder den Bezug zur Umgebung her. Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft in den umliegenden Wäldern, ebenso wie Steine aus den Dolomiten. Was ich auf den ersten Blick für Waschbeton halte, entpuppt sich als fein geriebener lokaler Naturstein, der anschließend wie Putz aufgetragen und schließlich mit Honig versiegelt wurde. Optik und Haptik der Oberfläche sind edel, clean und zeitgemäß. Nachhaltigkeit und Luxus als Symbiose geht also doch.

Die Reisebranche hat es nicht leicht mit der Nachhaltigkeit. Daran lässt sich nichts schönreden. Es liegt im Wesen eines Hotels, dass es eben Unmengen an Energie in Form von Wasser, Strom, Wärme und Nahrungs-, aber auch Reinigungsmitteln verschlingt. Im Betrieb auf eine gute Ökobilanz zu kommen ist – untertrieben gesagt – eine Herausforderung. Im Forestis ist man auf einem guten Weg.

Sicherlich, die nachhaltigste Reise ist die, die man nicht antritt. Genauso wie das nachhaltigste Auto jenes ist, das man nicht fährt, und das nachhaltigste Produkt das, das man nicht kauft. Im Umkehrschluss würde das aber bedeuten, dass wir die wunderbare Möglichkeit des Reisens verlieren und damit die Chance auf Inspiration und neue Perspektiven. Von stabiler Wirtschaft am Urlaubsort ganz zu schweigen. Es würde auch heißen, dass man sich gar nicht erst um neue Konzepte bemühen müsste, um der wachsenden Sensibilisierung aufseiten des Gastes und Klimazielen gerecht zu werden. Und das löst nun mal auch keine Probleme.

Das Forestis zeigt, dass es machbar ist, den Anspruch an Luxus mit dem Anspruch an bewussten Konsum und umweltschonende Prozesse zusammenzubringen. Das fängt bei der Verwendung von Holz als nachwachsendem Rohstoff, der Vermeidung von Plastik und Strom aus erneuerbaren Energien an und geht bis zur eigenen Pellets-Heizanlage und einem Zero-Waste-Konzept in der Küche.

Eine Haltung, die ich gerade in der Premium-Hotellerie leider noch viel zu selten sehe. Zu oft wird Luxus hier immer noch als ein verschwenderischer Umgang mit Ressourcen fehlinterpretiert. Im Forestis wird mir wieder einmal klar, wie erfrischend es ist, wenn Luxus auch ganz leise sein darf. Mit dem Konzept von Stille und Natur und dem kompromisslosen Bezug zum Lokalen werden hier neue Standards etabliert.

Natürliche Herzlichkeit

Und wo wir gerade von Standards sprechen: Auch was Herzlichkeit und Gastorientierung angeht, legt das gesamte Team die Messlatte im Forestis sehr, wirklich sehr hoch an. Das bringt mich zum Nachdenken. Wenn wir heute in der Spitzenhotellerie von „Hospitality“, also von Gastfreundschaft sprechen, vergessen viele, so glaube ich, dass das Wort seinen Ursprung im lateinischen hospes bzw. in dessen Genitiv hospitis hat: „einer, der einen Fremden aufnimmt“. Übrigens hat sich auch das Wort Hospital so gebildet.

Genau darum sollte es gehen: Man nimmt Fremde auf, man kümmert sich um sie, und wenn es ihnen besser geht, ziehen sie ihrer Wege. Das wird hier oben gelebt. Nicht nur wegen Lungenluft, Heilwasser und der Vergangenheit als Sanatorium, sondern auch, weil die Gastgeberkultur für jeden einzelnen Mitarbeiter, mit dem ich spreche, wie das Natürlichste der Welt wirkt. Keine Frage, alle sind perfekt geschult, aber nichts wirkt gedrillt, sondern leicht und selbstverständlich.

Hier liegt für mich der größte Unterschied zwischen Tourismus und Hospitality. Tourismus, das ist „nur“ das Zimmer mit Aussicht, ist das, was ich sehen kann. Gastfreundschaft ist, was ich spüre. Gäste, die sich eingeladen fühlen. Menschen, die in den Mittelpunkt gestellt werden. Das hat viel mit dem Wunsch zu tun, die Dinge einfach gut zu machen und sich um andere zu kümmern.

Funktioniert das hier so wunderbar, weil es ein Familienbetrieb ist? Die großen Corporate-Player könnten meiner Meinung durchaus mal einen Abstecher ins Forestis machen, um ein oder zwei Tage die Prozesse und den Umgang mit dem Gast zu beobachten. Hier gäbe es für die Kempinskis, Marriots und Accors dieser Welt noch einiges zu lernen.

Momente der Sprachlosigkeit

Ich bin in einer der Tower-Suiten untergebracht und das Erste, das mir beim Betreten des Raumes auffällt, ist der Geruch. Im besten Sinne. Bitte denken Sie jetzt bloß nicht an muffigen Hotelteppich, sondern an den unnachahmlichen, beruhigenden Geruch, wie er nur von naturbelassenem Massivholz ausgeht. Boden, Wände und Decken sind aus Holz aus der Region, ebenso Teile der Einrichtung. Herrlich!

Nur Bruchteile von Sekunden später ist das Zweite, was mir nicht nur auffällt, sondern mich für einen kurzen Moment wirklich sprachlos macht – und das passiert höchst selten –, der Ausblick. Bodentiefe Panoramafenster geben den Blick auf die Berge frei. Rückblickend vermute ich, dass es wohl dieser Moment war, ich dem ich meine Sachlichkeit verloren haben. Denn ab jetzt kann ich mich nicht mehr sattsehen an der Natur.

Restaurant @Forestis Dolomites

Das Hotel bietet, wie bereits erwähnt, einen hervorragenden Spa und einen großen Katalog an Aktivitäten. Doch ich will ganz ehrlich mit Ihnen sein, hätte ich meinen gesamten Aufenthalt einfach auf der Terrasse meiner Suite verbracht und hätte ich hier nur dem Naturschauspiel zugesehen, das sich buchstäblich alle paar Minuten wandelt – ich wäre nicht weniger glücklich abgereist.

Um das Naturerlebnis noch zu intensivieren, bietet das Hotel einen ganz besonderen Service an. Jede der neuen Turmsuiten hat eine eigene Terrasse, die sich zur Südseite öffnet, sodass alle Gäste in den Genuss des herrlichen Panoramas kommen. Und in den warmen Sommermonaten kann der abendliche Aufbett-Service nach draußen verlegt werden. Schlafen unter dem Tiroler Sternenhimmel in der Ruhe des Waldes, das ist einfach einmalig.

Tiroler Stuben – neu interpretiert

Schließlich habe ich meine Terrasse aber dann doch verlassen. Sonst hätte ich schließlich einiges verpasst. Das gastronomische Konzept des Hotels, um nur ein Beispiel zu nennen. Auch das Restaurant ist allein schon durch seine Architektur beeindruckend. Genauso wie die Türme sind auch hier die fünf stufenförmigen Ebenen zu großen Fenstern an der Südseite ausgerichtet. In kleinen Lounge-Inseln genießen die Gäste Privatsphäre, ohne dass die steife Atmosphäre entsteht, die mich an manchen Fine-Dining-Konzepten in Urlaubshotels stört.

Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Folgen, die Gastronomen und Hoteliers weltweit zu schaffen machen, ist das Interior-Design des Restaurants ein Geniestreich. Social Distancing passiert hier von ganz allein, es muss kein einziger Tisch geblockt werden, um Abstandsregelungen einzuhalten. Für das Gasterlebnis ist das ein Segen.

Das Frühstückskonzept ist smart gelöst, der Gast kann zwischen zwei Etageren wählen: Forestis oder Detox. Beide bestehen größtenteils aus regionalen Produkten. Dazu gibt es frisch gepresste Säfte, Eierspeisen nach Wunsch. In der Karte kann ich nachlesen, woher alles stammt, welcher der umliegenden Bauern die Milch liefert, welcher das Fleisch, den Käse, woher das Getreide stammt und woher das Gemüse. Diese Transparenz erzeugt Vertrauen und Glaubwürdigkeit.

Im Abendbereich übernimmt Roland Lamprecht das Regiment in der Küche. Sein beruflicher Weg führte ihn durch Sterneküchen in ganz Mitteleuropa – und schließlich zurück in seine Heimat. Naturverbundenheit und Heimatliebe merke ich seiner „Waldküche“ an. Die Zutaten kommen aus der Umgebung, aus dem eigenen Garten oder werden im Wald gesammelt. Alles wird mit viel Kreativität neu gedacht: Lerchensirup, Fichtenöl, Bergartischocken, Baumspinat, Fleisch aus artgerechter Haltung. Nicht nur die Verarbeitung ist hervorragend, auch die Präsentation ist absolut auf dem Punkt.

Handelsblatt-Autor Carsten K. Rath (l.) mit Weinsommelier Andreas Gottlieb Hempel

Meine Empfehlungen für Aktivitäten außerhalb des Hotels: Mit dem nahen Lift geht es auf den Ploseberg, von da kann man den circa drei Kilometer langen Spaziergang über die Rossalm genießen. Ein weiteres Highlight ist ein Abstecher zum historischen Kloster Neustift.

Buchen Sie hier im Voraus unbedingt die Weinverkostung bei Professor Andreas Gottlieb Hempel. Der ehemalige Präsident des Deutschen Architekten Bundes hat sich in seiner Wahlheimat Brixen zum Diplom-Sommelier, Natur- und Wanderführer weitergebildet und ist Genussbotschafter Südtirols. Es gibt kaum eine Kellerei in Südtirol, zu der er keine Geschichte erzählen kann. Eine hochinteressante Begegnung mit herrlichen Weinen.

Reibungslose Prozesse – trotz Neueröffnung und Pandemie

Ich habe in zwölf Ländern auf vier Kontinenten Hotels eröffnet. Ich kenne die strapaziöse Phase, kurz bevor sich die Türen öffnen, nur zu gut. Und auch die leichte Hektik in den Tagen danach, wenn sich alles erst finden muss, sobald dann „echte“ Gäste anwesend sind. Das Forestis hat vor zwölf Arbeitstagen eröffnet. Zwölf. Das sind keine zwei Wochen.

Wie hier alles so harmonisch, so unkompliziert und so reibungslos läuft – auch in diesem Punkt will ich ehrlich sein: Ich weiß nicht, wie das möglich ist. Jeder Handgriff sitzt, als würde der Hotelbetrieb seit Monaten laufen.

Und das, obwohl der Corona-Lockdown den eigentlich geplanten Eröffnungstermin im Mai durchkreuzt hat. Auch die letzten Umbaumaßnahmen mussten für einen Monat ausgesetzt werden. Vom Stress und der Ungewissheit, die das bei der Direktion, aber auch beim Team ausgelöst haben muss, bekomme ich als Gast nichts zu spüren.

Im Gegenteil. Die Luxus-Hotellerie ist wie kaum eine andere Branche abhängig vom nahen, persönlichen Umgang mit dem Gast. Es scheint schwer vorstellbar, mit Mundschutz und Handschuhen ein authentischer Gastgeber sein zu können. Doch selbst das gelingt hier, ich nehme die Maßnahmen kaum wahr, so natürlich ist hier der Umgang mit den Gästen und den Corona geschuldeten Sicherheitsvorkehrungen.

Bei aller Begeisterung: Etwas Kritik muss sein

In Sachen Service wird vieles schon gut, manches sehr gut gemacht. Das Housekeeping muss sich noch ein bisschen einspielen. So kurz nach der Eröffnung ist das – und das weiß ich aus langer Erfahrung – einfach schwer machbar. Dafür Punkte im Gesamtergebnis abzuziehen, wäre schlicht unfair. Das Tages-Cleaning erfolgt in Schallgeschwindigkeit. Auch wenn das Zimmer danach sauber ist, hier sollte man sich mehr Zeit lassen.

Was mir dagegen gut gefällt: Auch hier wird auf Nachhaltigkeit geachtet. Dass ich als Gast die Wahl habe, meine Handtücher wechseln zu lassen oder nicht, ist aus anderen Hotels gelernt. So spart man Wasser und Energie. Hier geht man aber noch einen Schritt weiter. Ich kann durch einen Knopf signalisieren, dass ich gar kein Cleaning wünsche – und werde für mein ressourcenschonendes Verhalten vom Hotel sogar belohnt. Für jeden Tag ohne Putzen wird ein Baum gepflanzt. Toll, alles richtig gemacht.

Ein weiterer Punkt, an dem es ganz klar hakt, ist das Preis-Leistungs-Verhältnis im Kleinen. Grundsätzlich liegen wir hier natürlich am oberen Ende der Preisskala, sei es für Rate oder Spa-Treatments. Und dennoch: 20 Euro Servicegebühr für den Room-Service? Das ist zu viel und macht keinen Spaß.

Zumal viele Gerichte auf der Karte deutlich günstiger als 20 Euro sind, erscheint mir die horrende Service-Charge erst recht unlogisch. Auch, da man sich bei der Minibar so großzügig zeigt, denn alle Getränke sind inklusive, teilweise mit persönlicher Notiz versehen und werden immer wieder neu bestückt. Hier passt etwas nicht zusammen.

Ein Satz zum Schluss

Ein langes Fazit ist angesichts meiner unverhohlenen Euphorie wohl nicht nötig. Das Forestis Dolomites ist ein herrliches Gesamterlebnis und zurzeit glücklicherweise noch ein Geheimtipp. Meine Empfehlung kann ich somit in einem Satz zusammenfassen: Fahren Sie hin.

In eines der Trouvaillen, das am 22. November 2020 im Hotel Adlon in Berlin als solches ausgezeichnet wird. Lassen Sie mich den Bericht also mit einer guten Nachricht der anderen Art abschließen: Auf dem Weg nach Hause war sie dann plötzlich wieder da, meine Sachlichkeit.


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