Ein Kondolenz-Dinner in Frankfurts sterbendem Schwan

Seine Schließung inszeniert das Restaurant Seven Swans im Netz als Todesstoß. Dabei hätte sie womöglich abgewendet werden können – mit besserem Service.

Im schmalsten Haus Frankfurts betreibt die Lindenberg Gruppe seit 2011 das Seven Swans. Angefangen als Multifunktionshaus mit Hotelzimmern, später umfunktioniert zum regionalen Lokal, seit 2019 rein veganer Gastro-Betrieb – so zeigt sich Wandlungsfähigkeit auf kleinstem Raum. Das Seven Swans liegt etwas versteckt am Rande der Altstadt, in unmittelbarer Nähe zum Main und reiht sich unter die drei sternegekrönten Gemüse-Gourmet-Restaurants in Deutschland ein.

Geschäftsführerin Denise Omurca und Team servieren ungewöhnliche, mittlerweile rein vegane Kreationen und verarbeiten dabei vorwiegend Produkte aus eigenem Anbau, direkt von den Braumannswiesen. Wildkräuter, Waldfrüchte oder Blüten – was nicht auf dem Acker gedeiht, sammelt Küchen-Chef Chefkoch Ricky Saward eigenhändig, zugekaufte Gewürze kommen nicht auf den Teller. Je nach saisonalem Gemüse- und Obstangebot variiert die Karte daher stark.

Am 31. Dezember 2020 schlägt die letzte Stunde der Schwäne. Die schwarze Website des Restaurants zeigt: Die Betreiber meinen es todernst. Einen Hinweis auf das Speisenangebot findet der Gast nicht, dafür die noch ausstehenden Tage bis zum Sterben des Schwans. Interessierte reservieren online über den „Condolence“-Menüpunkt.

Wer zwischenzeitlich vergessen hat, dass das Restaurant schließt, der wird von den in der Spitzen-Gastronomie eher unerfahrenen Mitarbeitern beim Dinner erneut darauf hingewiesen.

Erscheint der Gast nicht zum reservierten Kondolenz-Essen, wird sein Konto per Kreditkarte erleichtert. Das ist zwar untypisch für Deutschland, ich finde es aber prinzipiell in Ordnung. Die Betreiber wollen eben „(k)ein gefälliges, festgefahrenes Produkt als Resultat externer Erwartungen werden“.

Mit der Schließung will Denise Omurca außerdem auf die herrschenden Missstände in der Gastronomie aufmerksam machen. Ich wage allerdings zu bezweifeln, dass der mir präsentierte, schlechte Service dafür ein adäquates Mittel ist.

Vegane Kochkunst geschmückt mit Schwanenfedern

Als Aperitif wählt der Gast zwischen kreativ gemixten alkoholischen und nicht alkoholischen Kaltgetränken. Geschmacklich ein sehr guter Start. Als zweiten Aperitif gibt es Regenwasser. Was kreativ wirken soll, fand ich allenfalls bemüht.

Die 13 folgenden Gänge bestehen jeweils aus drei Zutaten und schmecken hervorragend. Ein Gang ist besser als der andere, Küchen-Chef Saward kombiniert Zutaten in einer Form, die mir so noch nicht aufgetischt wurden. Saisonal, frisch, überraschend: Der Spitzkohl, serviert mit Rauch und Petersilie, treibt mir die Freudentränen in die Augen.

Er ist nicht so bitter wie erwartet, da die Petersilienblätter den perfekten Ausgleich schaffen. Auch das ungleiche Trio aus Lauch, Sauerkraut und Feige schmeichelt meinem Gaumen. Die Süße der Feige wird durch die hinzugegebene Säure gekonnt ausbalanciert. Jede Zutat ist liebevoll auf den Tellern angerichtet, ganz im Zeichen des Fine Dinings.

Aber der Reihe nach. Der erste, für mich eher unschöne Eindruck des Restaurants zieht sich im Seven Swans durch den gesamten Service: Ich klingele, es ist winterlich kalt. Dennoch öffnet sich die Tür zum Schwanenhaus nur einen kleinen Spalt. Auf ein herzliches Willkommen warte ich vergebens, der sich hinter der Tür versteckende Mitarbeiter fragt nur unhöflich nach meiner Reservierung und meinem Namen.

Hereingebeten werde ich erst, als ich eindeutig identifiziert werde. Im weiteren Verlauf des Abends nennt mich allerdings niemand mehr beim Namen, auch nicht an der Bar, obwohl hier nur drei Gäste auf ihren Drink warten.

Eine Getränkekarte an der selbigen existiert nicht. Frische Cocktails mit geheimen Zutaten gehören eben zum kreativen Konzept. Die Auswahl der Weine wird dem Gast erleichtert – es gibt nur einen, einen Weißburgunder. Zur Herkunft des edlen Tropfens erhalte ich keine Auskunft. Der Barkeeper ist vielmehr damit beschäftigt, lautstark wie auf einer schlechten Kirmes Gläser und Flaschen zu bewegen.

Das feiert er anschließend selbst und gönnt sich gemeinsam mit seiner Kollegin einen Shot. Mich nerven die unaufmerksamen Mitarbeiter und vor allem das Unpersönliche in dem sehr kleinen Raum-Ambiente, in dem man zwangsweise zusammenrückt

Service geht anders

Screenshot der Website Seven Swans
Screenshot der Website Seven Swans

Zum ersten Gang werde ich in den Keller geführt, was sehr schmerzhaft für mich ist. Der Treppenabgang ist nur 1,90 Meter hoch, ich stoße mir zweimal den Kopf. Ein kleiner Hinweis für große Gäste könnte Abhilfe schaffen.

An einer Community Table sitzen acht fremde Menschen zusammen und reden entweder miteinander oder übertünchen peinliches Schweigen. Das erinnert mich an meine Robinson-Zeit, nur, dass der Gastgeber im Seven Swans sehr selbstverliebt ist.

Am Kopfende bereitet der Koch vor unseren Augen ein Amuse-Bouche vor und plaudert derweil aus dem Nähkästchen: Es würden tatsächlich Gäste erscheinen, die das Restaurant-Konzept nicht verstünden und enttäuscht wieder nach Hause gingen. Kleiner Tipp: Etwas mehr Gastfreundschaft und Offenheit dem Gast gegenüber könnte wahre Wunder wirken.

Für die folgenden Gänge bewegen wir uns raus aus dem viel zu kalten Keller in die besser beheizte 5. Etage. Ich entscheide mich gegen den schmalen Aufzug und laufe. Oben angekommen, führt mich der Kellner zunächst an den kleinsten Tisch in der engsten Nische, obwohl ein anderer frei ist.

Erst nach einem dezenten Hinweis platziert mich der Kellner um. Ihm selbst ist das ungleiche Größenverhältnis – großer Gast, kleiner Tisch – gar nicht erst aufgefallen. Die zuständige Kellnerin ist not amused, da sie nun erneut eindecken muss. Service jedenfalls geht anders.

Das kulinarische Erlebnis ist, wie gesagt, spektakulär und einprägsam, dennoch statte ich diesem Restaurant sicher keinen zweiten Besuch ab. Hier ist der Gast leider kein König, sondern bestenfalls geduldet. Wer mehr als gutes veganes Essen erwartet, der schwimmt hier definitiv im falschen Schwanenteich. Die vegane Küche wird leider nur auf ein sehr bemühtes Konzept mit unmotivierten Mitarbeitern aufgesetzt.


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