Nico Rosberg

Nico Rosberg: „Oft sind wir zu faul für diese kleinen Details“

Der Unternehmer und Investor spricht im Interview über nachhaltiges Unternehmertum, Tüfteleien als Erfolgsgarant und abgekratzten Lack vom Formel-1-Helm.

Seit Ende des vergangenen Jahres ist Nico Rosberg Markenbotschafter des deutschen Luxushotelkonzerns Kempinski, der ältesten Hotelgesellschaft Europas. Das Gespräch darüber, wie er diese neue Rolle ausfüllen wird und sie in sein Kernthema Nachhaltigkeit integriert, war das vorerst letzte, dass er sozusagen Face to face führen konnte. Dann zwang die weltweite Coronakrise auch Rosberg dazu, Abstand zu halten.

Zum Interview im Berliner Privatclub China Club kam später auch Kempinski-Chef Martin R. Smura dazu. Der exklusive Club ist über das Hotel Adlon zu erreichen, einem der Aushängeschilder von Kempinski mit traditionsreicher und wendevoller Geschichte. „Qualität, Tradition und Ursprünglichkeit sind ja auch alles nachhaltige Werte“, sagte Rosberg, „das fand ich einen sehr spannenden Ansatz für unsere Zusammenarbeit.“

Noch sind Rosberg und Smura dabei herauszufinden, wie man gemeinsame Win-win-Situationen schaffen kann. Rosberg nennt sein Greentech Festival, das er im vergangenen Jahr mit zwei Partnern gegründet hat und das in Berlin umweltfreundliche Hightech-Projekte sowie grüne Technologien und Produkte präsentiert. Da passt es, dass Kempinski mittlerweile das Thema Nachhaltigkeit als strategischen Ansatz im Unternehmen verankert hat.

Nico Rosberg ist zwar heute ganz überwiegend als Unternehmer und Investor aktiv; die Formel 1 hat ihn aber keineswegs losgelassen. Und so erzählte er auch, warum er 2016 Weltmeister wurde – und welche Rolle dabei ein Schlafprofessor und 80 Gramm Lack spielten, die er sich von seinem Helm abkratzte.

Lesen Sie hier das ganze Interview:

Herr Rosberg, was tun sie in Ihrem ganz persönlichen Umfeld in der Familie dafür, um nachhaltig zu leben?
Wir sind bei weitem nicht perfekt, aber wir achten als Familie zum Beispiel darauf, kein Plastik zu verwenden, nachhaltige Produkte zu kaufen und keine Ressourcen zu verschwenden. Und in Monaco mache ich Carsharing mit einem Elektroauto. Es gibt dort diese sehr kleinen Renault Twizys. Die haben auch den Vorteil, dass man überall parken kann. Man braucht nur einen Motorradparkplatz. Da spielt nicht nur der Umweltgedanke eine Rolle, es ist auch einfach effizienter. Das sind aber nur zwei Beispiele dafür, wie wir versuchen, in Sachen Nachhaltigkeit bewusst zu leben.

Ziehen ihre Kinder mit?
Das tun sie. Ein ganz großer Sinn meines Lebens ist es, meine Kinder zu inspirieren, Gutes tun zu wollen. Da ist die Umwelt ein großes Thema. Als wir vor einiger Zeit auf Ibiza zu einem Nachbarn gingen, fand meine Tochter einen Plastikmüllsack auf dem Feld. Sie fing an zu weinen. In der Schule hatte sie gelernt, dass Plastiktüten Schildkröten töten. Wir mussten sie trösten und hoben den Sack auf.

Haben Sie schon immer so bewusst gelebt?
Nein, sicher nicht. Ich habe zehn Jahre lang mit einem Privatlehrer Psychologie studiert, in erster Linie für den Sport. Der war mental gerade in der Anfangszeit eine so große Herausforderung für mich, das sollte mir helfen. Ich sagte mir dann, dass es nicht sein kann, dass ich vier Stunden am Tag meinen Körper trainiere und nichts für meinen Kopf tue. Es muss doch möglich sein, da noch was rauszuholen. Das hat mich weitergebracht. Und es ist garantiert so, dass unter anderem dieses Psychologiestudium mir den Weltmeistertitel eingebracht hat. Ohne das Studium hätte das nicht geklappt, hundertprozentig nicht. Das hat einen riesigen Impact gehabt.

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Das letzte Rennen 2016 in Abu Dhabi, das Ihnen den Titel brachte, war ja auch die reinste psychologische Kriegsführung.
Genau. Ich habe während dieses Studiums auch Meditation gelernt, ich habe insgesamt gelernt, besser zu leben, mit allem Drum und Dran. Es hat mir in dieser unglaublich intensiven Phase meines Lebens, sicher der intensivsten außer der Geburt meiner ersten Tochter, mehr Klarheit gegeben, und ich habe nicht die Fehler gemacht, die ich sonst wohl gemacht hätte. Ich habe dabei auch gelernt, dass der beste Weg zu leben der ist, viel Gutes für andere zu tun. Und nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst, fürs eigene Glück. Das alles möchte ich immer mehr in mein Leben integrieren und da meinen Weg finden.

Gehen sie diesen Weg auch als Unternehmer?
Ich verbinde immer das Business mit dem guten Zweck. Das ist ganz wichtig für mich. Sonst bin ich nicht dabei.

Und warum das Thema Nachhaltigkeit?
Ich bin Vater von zwei kleinen Kindern. Wenn man Kinder hat, muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, wie die Welt in den nächsten 80 bis 100 Jahren aussehen wird, denn so alt wird ein Mensch heutzutage, wenn alles gut läuft. Ich sehe mich da nicht zuletzt als Vater in der Verantwortung, über mein Handeln und meine Beweggründe nachzudenken. Aber auch als Unternehmer.

Als aktiver Fahrer hatte ich für solche Gedanken nicht sehr viel Zeit und ich war auch noch sehr jung. In den letzten Jahren habe ich jedoch erkannt, dass diese innere Motivation die richtige ist. Mein Ziel ist es, auch durch meine Geschäfte Veränderungen herbeizuführen, die positiv sind. Nicht nur für meine Kinder, sondern allgemein für die nächste Generation.

Luxus und Nachhaltigkeit passten lange kaum zusammen. Heute ist die Frage, ob Luxus überhaupt noch ohne Nachhaltigkeit geht.
Schon noch, aber auch Luxus und Nachhaltigkeit schließen sich gerade zusammen. Und das ist toll so.

Auch Kempinski verkörpert Luxus, das Haus steht zudem für Tradition, Qualität, Ursprünglichkeit. Aber es steht ja nicht für den vielleicht neuen zukünftigen Kempinski-Gast, den Sie verkörpern. Wie passt das zusammen?
Gerade in dieser Hinsicht nimmt Kempinski ja aber auch eine Vorreiter-Rolle ein, indem die Hotelkette das Thema Nachhaltigkeit auf seine Agenda setzt: Qualität, Tradition und Ursprünglichkeit sind ja alles auch nachhaltige Werte. Das fand ich einen sehr spannenden Ansatz für unsere Zusammenarbeit. Gerade in der Tourismus-Branche kann man ja noch viel Positives bewegen. Außerdem bin ich als Deutscher sehr stolz darauf, mit Kempinski zusammenarbeiten zu dürfen. Kempinski ist ja ein absolutes deutsches Traditionsunternehmen. So wie die Deutsche Bahn, für die ich ja auch Botschafter bin. Meine erste Reaktion war: Wow, das ist ja wirklich eine Ehre.

Kempinski ist also auf Sie zugekommen?
Richtig. Und Kempinski hatte ja noch nie ein Testimonial. Die Werte des Unternehmens waren mir ohnehin klar: Exzellenz, Familie, Unternehmertum. Ich habe mich dann mit Kempinski-Chef Martin Smura getroffen, und er hat mir erzählt, welche große Bedeutung das Thema Nachhaltigkeit für die Zukunft haben wird, für ihn persönlich und für das Unternehmen. Das hatte ich so nicht erwartet.

Wir auch nicht.
Es war aber letztlich das i-Tüpfelchen dafür, dass ich zu der Überzeugung gekommen bin: Besser geht es nicht. Die Werte stimmen perfekt überein. Und deswegen hat Martin Smura auch an mich gedacht. Er hat die Vision für Kempinski in Richtung Nachhaltigkeit angepasst, extern wie intern für die 25.000 Mitarbeiter. Er hofft, dass ich ihm helfe, diese Vision zu verkörpern.

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Hingabe, Leidenschaft, Liebe zum Detail“ – die Werte, die Kempinski seit 123 Jahren verkörpere, habe Nico Rosberg in seinem Vortrag über seine eigene Geschichte blendend verdeutlicht, sagt Martin Smura. Auch im Geschäft der Luxushotellerie ginge es eben Kopf-an-Kopf zu; da spielten dann auch häufig die Details eine Rolle, wenn man erfolgreicher sein will als die anderen.

Was genau macht denn ein Markenbotschafter?
Ich stehe als Person für die Werte und die Vision des Unternehmens. Martin hat jetzt die Nachhaltigkeitsvision für das Unternehmen nochmal feinjustiert, intern wie extern. Ich hoffe, ich kann ihn da gut unterstützen, indem ich diese Vision den 25.000 Mitarbeitern sowie den jetzigen und den potenziellen Gästen vermittele. Aber nicht nur da. Mein anderer Partner ist zum Beispiel Rolex, das passt doch sensationell zusammen. Da werde ich schauen, was es für Möglichkeiten gibt. Am Ende aber sind wir Partner, und wir versuchen, Win-wins zu kreieren.

Martin Smura merkt an, dass auch die Investoren der Kempinski-Hotels in dieser Zusammenarbeit eine große Rolle spielen. „Nico verkörpert natürlich unsere Werte perfekt. Er ist ein Sympathieträger, jemand, der auf Menschen zugeht.“ Beim Treffen im Hotel Grand Marzana auf Kuba seien auch die Investoren dabei gewesen; gerade für Hoteleigentümer und Investoren sei es wichtig, dass man als Kempinski präsent sei. „Ich glaube, dass trägt dazu bei, dass Investoren weitere Schritte gehen und weitere Dinge tun.“

Gibt es einen Plan für die zukünftige Zusammenarbeit Rosberg/Kempinksi? Oder ist es eher als eine Art Wirken im Hintergrund gedacht?
Wir sind ja wirklich noch nicht lange zusammen. Wir machen beide erstmal auf unserer Seite sehr viel, und jetzt fangen wir damit an zu überlegen, was wir gemeinsam an Nachhaltigkeitslösungen angehen können. Ich habe zum Beispiel eine riesige Vernetzung in die Start-up-Welt, weil ich da als Investor sehr aktiv bin. Da gibt es tolle Kooperationsansätze.

Man habe die Zusammenarbeit ja gerade erst im November vereinbart, sagt auch Martin Smura. Aber Nico Rosberg sei schon jetzt ein wichtiger Bestandteil der digitalen Kempinski-Marketingstrategie. Aktuell sei ein gemeinsamer Film geplant, der unter anderem in allen Hotels zu sehen sein wird. „Wichtig wird auch sein zu schauen, wo es Schnittmengen bei unseren schon bestehenden Markenpartnerschaften gibt“, sagt Smura.

Nun haben wir sehr viel über die Vorteile der Zusammenarbeit für Kempinski gehört. Welche können denn Sie konkret daraus ziehen?
Ich finde es inspirierend, mit meinen Partnern an der Entwicklung nachhaltiger Lösungen zu arbeiten und lerne viel dabei. Gemeinsam bewegt man gerade auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit am meisten. Wie ich schon sagte: Viele kleine Details machen einen großen Schritt. Außerdem ist es für mich eine große Ehre, mit Martin zusammenzuarbeiten und er ist ein toller Mentor. Kempinski unterstützt zum Beispiel schon mein Greentech Festival.

In welcher Art?

Zunächst ganz einfache Dinge. Wir haben ja einige Triple-A-Speaker beim Festival, an die kann ich ein Kontingent an Zimmern im Adlon weitergeben. Das ist für uns so viel wert, denn wenn unsere internationalen Gäste nach Berlin kommen und die beste Unterkunft im legendären Adlon haben, können wir sie leichter für unsere Mission begeistern.

Wie lange läuft ihre Partnerschaft mit Kempinski?
Das hat auch wieder mit unseren gemeinsamen Werten zu tun. Kontinuität ist ganz wichtig für mich, ich bin seit 17 Jahren mit meiner jetzigen Frau zusammen. Ich habe sie schon von der Schule abgeholt, es gab nie Skandale. Und Kontinuität ist auch für Kempinski als Traditionsunternehmen wichtig. Somit ist auch unsere Partnerschaft für die lange Frist angelegt.

Was konnten Sie aus ihrer Zeit in der Formel 1 übertragen auf ihr heutiges Unternehmertum?
Sehr sehr viel. Ein Beispiel ist das Zeitmanagement. Was du da an Potenzial rausholen kannst! In der Formel 1 ist das essenziell, um dann im Moment diese hundertprozentige Konzentration zu haben. Du kannst nicht übermüdet ins Auto steigen. Das hat dann auch wieder viel mit Disziplin und Organisation zu tun, das habe ich alles in der Formel 1 gelernt. Und das kann ich gut übertragen. (Holt sein Handy aus der Hosentasche, Modell uralt). Das ist mein Handy, es ist zwar neu, hat aber nur die Funktionen SMS und Telefon. Damit kann ich alles organisieren. Vor allem aber unterbricht es mich nicht laufend. Unterbrechungen sind für einen Unternehmer ein Killer. Das haut dich so aus dem Flow raus, da brauchst du vier Stunden, um wieder reinzukommen. Und dann hast du den ganzen Nachmittag nichts erreicht.

Sie sind auf dem Höhepunkt ihrer Karriere mit dem Gewinn des Weltmeistertitels ausgestiegen. Wie eng sind sie denn noch mit der Formel 1 verbunden?
Die Formel 1 wird für immer mein Sport sein, der beste der Welt, ich liebe ihn. Ich bin gern an der Rennstrecke, für RTL ja auch noch bei einigen Rennen dabei. Und ich bin sehr stolz, dass ich meinen Fußabdruck auf eine große Art und Weise dort hinterlassen habe.

Sie können sich also nicht vorstellen, noch mal in die Formel 1 zurückzukehren, wie zum Beispiel Michael Schumacher es getan hat?
Überhaupt nicht, das ist vorbei.

Eine Entscheidung auch vor dem Hintergrund, dass dieser Sport nun nicht unbedingt in Verdacht steht, besonders nachhaltig zu sein?
Ich sage nicht, dass die Formel 1 nachhaltig ist. Aber man muss bedenken, dass die Formel 1 eine der beliebtesten Sportarten der Welt ist und ein enormes Potenzial hat, Botschaften und Werte an Menschen überall zu übermitteln, unabhängig von ihrer Kultur und Nationalität. Dies ist ein unglaublicher Vorteil. Die Formel 1 hat sich ja auch verpflichtet, 2030 völlig emissionsfrei zu sein, so wie zum Beispiel viele große Dax-Unternehmen.

Und die Formel 1 hat auch die Möglichkeit, synthetische Kraftstoffe zu entwickeln und Vorreiter auf diesem Gebiet zu sein. Sie geht das Thema an, und ich glaube, dass sie das schaffen wird. Das würde zum Beispiel die Transportindustrie revolutionieren und wäre ein riesiger Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit. Außerdem muss man wissen, dass die in der Formel 1 eingesetzten, unglaublich effizienten Hybridmotoren teilweise nachhaltiger sind als ein heutiger Elektromotor.

Also sehen sie auch das Thema Formel 1 weniger dogmatisch, wenn es um Nachhaltigkeit geht?
Es passt nicht mehr in unsere Zeit, etwas über Verbote zu regeln. Die Formel 1 hat absolut ihre Daseinsberechtigung, sie bringt ja einen riesigen Mehrwert für Millionen von Menschen.

Sie versuchen also, bei allem eher einen gesunden Mittelweg zu finden?
So ist es. Und wir sollten vielleicht versuchen, mehr auf unsere Kinder zu hören. Es ist doch schön, welche Power die Fridays-for-Future-Kids haben. Ich habe es zuletzt beim Weltwirtschaftsforum in Davos gemerkt. Ich habe in meinem Netzwerk viele Chief Sustainability Officer, die versuchen, ihren CEO zu bearbeiten, dass man mehr Nachhaltigkeit in die Geschäftskultur hineinbringt. Oft gibt es da aber Widerstände. Nun haben mir zwei erzählt, dass die Kinder dieser CEOs, und da sind wirklich Big Player dabei, hingegangen sind und dem Vater gesagt haben: ,Hi, du hast doch die Möglichkeit, da viel mehr zu machen. Warum machst du nicht mehr?’ Und am nächsten Tag kam dann der CEO zum CSO und sagte: ,Wir müssen da jetzt mehr machen.’ Auch so kann es gehen.

Quelle: Handelsblatt


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