Am “Center for Service Excellence” (CSE) an der Universität Koblenz-Landau hat man es sich zur Aufgabe gemacht, das Thema Service Excellence wissenschaftlich fundiert und zugleich anwendungsorientiert zu erforschen. Treibende Kräfte sind Prof. Dr. Matthias Gouthier und Carsten K. Rath. Im Doppelinterview erklärt das Duo unter anderem, wie Service Excellence zur internationalen Norm avanciert und gleichzeitig zu mehr Kundenbegeisterung beitragen kann.
Am “Center for Service Excellence” (CSE) an der Universität Koblenz-Landau hat man es sich zur Aufgabe gemacht, das Thema Service Excellence wissenschaftlich fundiert und zugleich anwendungsorientiert zu erforschen. Treibende Kräfte sind Prof. Dr. Matthias Gouthier und Carsten K. Rath. Im Doppelinterview erklärt das Duo unter anderem, wie Service Excellence zur internationalen Norm avanciert und gleichzeitig zu mehr Kundenbegeisterung beitragen kann.
Die Experten sind sich sicher, dass die Begegnungsqualität noch stärker als bisher den entscheidenden Unterschied in der Guest Experience ermöglicht: herzlich, flexibel, kreativ, überraschend und innovativ. Service wäre demnach das beste Alleinstellungsmerkmal, das ein Unternehmen besitzen kann – und dies über alle Branchen hinweg: von der produzierenden Industrie über digitale Geschäftsmodelle bis hin zum Dienstleistungssektor.
Professor Gouthier, Hotelgäste sind, auch durch die zahlreichen Bewertungsplattformen, deutlich mächtiger und mündiger als noch vor einigen Jahren. Welche Entwicklung beobachten Sie in diesem Kontext?
Prof. Dr. Matthias Gouthier: Nicht nur für die Hotellerie gilt: Die Online-Kritiken haben sich als immens wichtiger Einflussfaktor auf das Kaufentscheidungsverhalten entwickelt. Aus wissenschaftlicher Perspektive wird dies als Customer Empowerment beziehungsweise neuerdings unter dem Begriff Customer Engagement genannt.
Wie müssen Hoteliers auf diesen Trend reagieren?
Gouthier: Von Sir Richard Branson, der unter anderem die Virgin Hotels entwickelt hat, stammt der Satz: “Es ist entscheidend, realistische Erwartungen zu setzen und diese dann leicht zu übertreffen.” Diesem Ansatz kann ich mich voll und ganz anschließen. Nicht unerheblich ist hierbei, welches Geschäftsmodell zum Tragen kommt. Entsprechend ist die Erwartungshaltung der Kunden oder Gäste unterschiedlich ausgeprägt.
“JEDE BESCHWERDE UND JEDES LOB IST EINE KOSTENLOSE UNTERNEHMENSBERATUNG.”
CARSTEN K. RATH
Carsten K. Rath: Der Hotelier hat ein Image, das er nach außen kolportiert. Dieses Image entspricht ein Stück weit der Kundenerwartung. Es läuft auf eine mathematische Gleichung hinaus: Wenn der Aufenthalt im Hotel oder im Restaurant besser verläuft als erwartet, wird hinzuaddiert, andernfalls wird abgezogen. Am Ende gibt es eine Rechnung, welche quasi als Bewertung im Internet zu finden ist. Letztere stellt eine große Chance dar, da jede Beschwerde, jeder Kommentar, jedes Lob als kostenlose Unternehmensberatung angenommen werden kann. Der Kunde gibt dem Hotelier einen Hinweis darauf, wie er das Produkt wahrnimmt.
Kann sich ein Limited-Service-Hotel in diesem Kontext tatsächlich erlauben, den Service zu begrenzen?
Rath: In meinen Augen muss der Service in allen Hotels, vom Einsternhaus bis zum Fünf-Sterne-Grandhotel, immer gleich gut sein. Immer exzellent. Die Qualität des Service darf sich niemals unterscheiden. Was – und da liegt das große Missverständnis – sich sehr wohl unterscheidet, ist die Quantität der Serviceleistungen, die angeboten werden.
Um im Wettbewerb zu bestehen, müssen sich Hotels von anderen abheben. Die Erwartungen sind zwangsläufig immer höher …
Rath: … was de facto an einer falschen Herangehensweise liegt. Es geht darum, eine solide Erwartungshaltung zu schaffen und diese, wenn auch nur geringfügig, zu übertreffen. Gleichzeitig muss immer auch die Verbindung zur Wirtschaftlichkeit betrachtet werden. Wenn der Kunde nicht bereit ist, für guten Service einen entsprechenden Gegenwert zu zahlen, kann dies nicht im Sinne des Hotelbetreibers oder des Hotelmanagements sein.
„ES GILT JA SCHON FAST ALS UNANSTÄNDIG, HEUTZUTAGE DARÜBER ZU SPRECHEN. ABER RICHTIG IST: SERVICE KOSTET GELD.“
PROF. GOUTHIER
Gouthier: Es gilt ja schon fast als unanständig, heutzutage darüber zu sprechen. Aber richtig ist: Service kostet Geld.
Rath: Der Kunde ist immer dann bereit zu zahlen, wenn er für sich einen Mehrwert wahrnimmt. Und da liegt das Problem: Sehr häufig nimmt er diesen Mehrwert nicht wahr – warum also soll er dafür zahlen?
Service Excellence sehen Sie als Grundvoraussetzung und wollen diese als Norm im Rahmen eines internationalen ISO-Standards festschreiben. Mit welcher Intention haben Sie sich dieser Aufgabe angenähert?
Gouthier: Das “Center for Service Excellence” wurde von mir im Jahr 2011 gegründet. Damals waren keine neuen Ansätze für Dienstleistungsqualität erkennbar, und die ISO 9001 brachte oftmals keinen wirklichen Nutzen. Dieser Status quo war vor zehn Jahren mein Ausgangspunkt, eine Initiative ins Leben zu rufen, bei der verschiedenste Unternehmen ihre Erfahrungen eingebracht und ein Managementsystem entwickelt haben, das zum Ziel hat, Kunden zu begeistern. 2011 haben wir den ersten deutschen Standard zu Service-Excellence vorgestellt. Diesen haben wir weiterentwickelt, auf eine europäische Ebene gehoben und sind jetzt dabei, einen weltweiten Standard zu Service-Excellence zu definieren. Unter deutscher Federführung.
Verfügen andere Länder, beispielsweise in Asien, nicht über einen größeren kulturellen Background beim Thema Service?
Gouthier: In der Tat sind viele Marktbeobachter erstaunt, dass ein solcher Vorstoß aus Deutschland kommt. Der Vertreter einer französischen Delegation äußerte sich beispielsweise dahingehend, dass er sich viel hätte vorstellen können, aber nicht, dass eine Service-Excellence-Initiative aus Deutschland kommt.
Bei der Zertifizierung kam es in der Vergangenheit hauptsächlich auf die Hardware an. Mit Ihrer Innovation können auch weiche Faktoren stärker berücksichtigt werden. Mit welchen Folgen rechnen Sie?
Rath: Im Frühjahr 2021 erscheint die neue ISO-Norm, und entsprechend sollte es zu den ersten ISO-Zertifizierungen kommen. Das ist eine Weltrevolution, weil es die Service Excellence komplett in eine andere Liga bringen wird – basierend auf einem akademisch fundierten Hintergrund, der dann nicht mehr diskutabel ist.
Wie kann die Hotellerie vom “Center for Service Excellence” profitieren?
Gouthier: Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, sich am CSE zu beteiligen. Beispielsweise setzen wir jetzt einen Beirat auf, der zum gegenseitigen Austausch gedacht ist. Hier steht unter anderem die Frage im Mittelpunkt, welche neuen Trends sich abzeichnen oder welche Entwicklungen in Bezug auf Service Excellence festgestellt werden. Grundsätzlich kann man über das CSE auch firmenspezifische Programme buchen. Auf diese Weise werden Teilbereiche der Service Excellence in Kursen, Workshops und Trainings vermittelt. Aktuell steht zudem die Entwicklung sogenannter “Guest Personas” bei Unternehmen hoch im Kurs, die diesen dabei helfen, sich ihre verschiedenen Zielkundengruppen plastischer vorzustellen.
Rath: Die Zeiten der Zielgruppenanalyse sind längst vorbei. Das nächste Level, das wir jetzt im Bereich Service Excellence benötigen, ist die „Personas“-Betrachtung. Diese Disziplin geht wesentlich tiefer und berücksichtigt vor allem das Training am Kunden.
Wie können sich Hoteliers dem Thema annähern?
Rath: In der Regel über einzelne Elemente. Das kann im Bereich Customer Experience oder Customer Experience Management geschehen. Auch Service Design Thinking bietet sich an, wo es darum geht, Service- und Dienstleistungsinnovationen zu entwickeln.
Ist der Druck auf die Betriebe gestiegen, sich stärker dem Thema Service zu widmen?
Rath: Früher hat man in guten Zeiten in den Service investiert. Heute ist es genau umgekehrt. Ich habe den Eindruck, wenn es Unternehmen schlecht geht, haben sie verstanden, dass die Lösung nicht im Cost Cutting liegt, sondern in der Customer Experience. Aus diesem Grund gibt es immer mehr Manager, die aktiv handeln, um Service Excellence als Umsatztreiber zu installieren.