Villa Kennedy Frankfurt: der Durchlauferhitzer

Das Frankfurter Hotel sticht im internationalen Reise- und Business-Hub Frankfurt hervor. Doch was ist Reisenden aus aller Welt wirklich wichtig?

Frankfurt ist ein Unikum unter den deutschen Großstädten. Es ist eine Stadt, in die ich zumeist reise, wenn ich woanders hinreise – oder geschäftliche Termine habe. Transfer und Business: Das sind die Funktionen, die ein Besuch in der Main-metropole für die meisten Menschen hat – ob sie nun Ankommende aus Schanghai oder Abreisende nach Rio de Janeiro sind.

Die Villa Kennedy, eigentlich ein architektonisches Ensemble und kein Einzelgebäude, steht auf einem parkähnlichen Grundstück in Sachsenhausen. Die Lage, die Kölner als „Schäl Sick“ bezeichnen würden, bildet einen angenehmen Kontrast zum Cluster der Business-Hotels am gegenüberliegenden Ufer, auf der Seite des ungeliebten Bahnhofsviertels. Das hat auch den Vorteil eines schnelleren Transfers zum Flughafen.

Der Anblick der Villa ist beeindruckend: Wie eine Oase aus stabileren Zeiten ruht sie in der kühlen City-Landschaft. Die Grundvoraussetzungen für ein urbanes Paradies sind also gegeben. Genau das will die Villa laut Selbstbeschreibung sein: ein „urbaner Rückzugsort“. Doch die noble Anmutung des Hauptgebäudes, der nur noch eine Kutsche in der Auffahrt fehlt, hat einen Pferdefuß: Die Erwartungen galoppieren automatisch nach oben.

Konzept

Ein neues Hotel in ein altes Haus zu bauen ist nicht nur architektonisch eine Herausforderung. Den Spagat zwischen Tradition und Moderne zu schaffen ist vor allem im Design ein kleines Kunststück. Nun wurde die Villa Kennedy allerdings – wie alle Häuser von Rocco Forte – von Olga Polizzi eingerichtet, ihres Zeichens Design Director der Kette und Schwester von Sir Rocco. Noch ist mir kein Haus begegnet, in dem ihr untrügliches Stilgefühl und ihre Liebe zum Detail mich enttäuscht hätten.

Meine Junior-Suite entspricht mit ihrer strengen Streifen-Ästhetik in Mint und ihren vollflächigen Tapeten zwar nicht unbedingt meinem Geschmack, aber das ist rein subjektiv.

Zimmer der Villa Kennedy

Ausstattung

An der Ausstattung und Materialqualität gibt es im gesamten Hotel nicht das Geringste auszusetzen. Das gilt für die denkmalgeschützte Villa Speyer im Zentrum genauso wie für die weiteren Gebäudeteile, die den Großteil der 163 Zimmer beherbergen. Die Signature-Räume, wie die vornehme Lobby und mit der Georg-Speyer-Suite eine der größten Präsidentensuiten Europas, liegen in der liebevoll restaurierten Villa selbst. Eines Kennedys würdig? Das Haus: unbedingt.

Der Pflegezustand hingegen ist ein kleiner Wermutstropfen: Auf den Fluren finde ich zu viele Macken. Einige der Wände brauchen dringend Farbe. Durch solche Kleinigkeiten entsteht ein Eindruck von Nachlässigkeit, der dem noblen Anwesen nicht gerecht wird. Die Villa inszeniert sich als eine Art Palasthotel – da fällt alles unterhalb von „Perfektion“ negativ auf.

Service

Der Service ist tatsächlich der Pferdefuß in der Villa Kennedy. Was brauche ich als Frankfurt-Durchreisender, Transfer-Tourist, gestresster Geschäftsmann wirklich? Ich brauche einen Hafen, der mich die Reise-Hektik für ein paar Stunden vergessen lässt. Ich brauche ruhige, souveräne Gastgeber, die Wärme ausstrahlen und mich eben nicht als „Durchlaufposten“ behandeln.

Was ich an Service tatsächlich erlebe funktioniert zwar gut, ist aber kein Ausbund an Charme. Die Rezeptionistin empfängt mich freundlich, und meine Ankunft ist professionell vorbereitet. Aber eben auch nur das: professionell. Nicht: persönlich. Meinen Namen verwendet die Dame kein einziges Mal, bietet mir nicht eine Dienstleistung und noch nicht einmal einen W-Lan-Code an. Zum Lift begleiten möchte sie mich auch nicht – sie bleibt lieber hinter dem Tresen.

Der aus Sicht der Top-Hotellerie etwas unreife Eindruck setzt sich auch beim Gepäckservice fort. Der Mitarbeiter, der mir mit meinem Gepäck hilft, verbreitet eine ungeheure Hektik. Im Zimmer angekommen, rennt er schwitzend hin und her. Mir etwa das Zimmer und die Mini-Bar zu erklären und dafür zu sorgen, dass ich mich zu Hause fühle – das verpasst auch er.

Auch der Turn-down-Service lässt keine Stimmung aufkommen: Das Zimmer lässt sich technisch bedingt nicht recht abdunkeln, die Kommunikation ist unbeholfen, der ganze Akt eher unangenehm als heimelig.

Gastronomie

Restaurant Villa Kennedy

Auch im italienischen Restaurant Gusto lässt sich ausschließlich auf hohem Niveau meckern. Leider bietet mir schon der Empfang Anlass dazu. „Kann ich Ihnen helfen?“ ist so ein Satz, der mich besonders in einem5-Sterne-Hotel immer wieder befremdet. Sehe ich aus, als ob ich Hilfe brauche? Ein Wohlfühl-Satz ist das nicht. Als ich um einen Tisch bitte, bekomme ich erst einmal zur Antwort: „Warten Sie.“ Als sich ein Platz gefunden hat, verkündet die Mitarbeiterin aus der Entfernung: „Jetzt dürfen Sie mitkommen.“

Das Muster ist auch in der Gastronomie wieder dasselbe: Schon die Sprache ist funktional, oder „zweckmäßig“. Schön ist sie nicht. Ich will nicht effizienzgetriebener Durchreisender sein, schon gar nicht abends beim Dinner! Ich will ja gerade vergessen, dass ich reise, „durchreise“ auch noch. Ich will ankommen, und sei es nur für ein Stündchen. Nicht einmal Schilder mit ihrem Namen tragen die Service-Kräfte – geschweige denn, dass sich jemand an meinen erinnert.

Und das Essen? Halten wir es im Stil des Hauses: Es schmeckt gut. Dasselbe gilt fürs Frühstück: Die Qualität ist gut, aber das Buffet hält keine einzige Überraschung bereit. Was mich als Gast oder Geschäftsmann für den Standort Frankfurt begeistern könnte, wäre ein charmanter regionaler Bezug, der mir in Erinnerung bleibt. Stattdessen gibt es hochwertigen Standard, wie ich ihn überall bekommen kann. Dabei schreibt sich Rocco Forte in seiner Philosophie explizit die regionale Expertise auf die Fahne.

Betrachten wir es funktional, bevor wir es emotional sehen: Die Villa Kennedy ist ein gutes Hotel, das seinen Sternen und seiner Substanz gerecht wird. Professionell, gut organisiert und hübsch anzuschauen: Bei der Pflicht gibt sie sich keine Blöße. Durch- und dienstreisende Frankfurt-Gäste zu Fans machen wird die Villa in meinen Augen eher nicht. Die vom Brexit aufgescheuchten Banker-Gattinnen, die sich kategorisch geweigert haben sollen, von London nach Frankfurt zu ziehen: Hier kann ich sie irgendwie verstehen. Mittlerweile hat das General Management im Hotel gewechselt und ich bin gespannt, ob sich meine Erfahrungen der letzten Aufenthalte nun relativieren werden.


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