Schlosshotel Friedrichsruhe: eine Trutzburg deutscher Gründlichkeit

In einer sich verändernden Hotellerie bleibt das Schlosshotel Friedrichsruhe ein Bollwerk deutscher Gastkultur. Ein Blick in die Zukunft täte ihm aber gut.

Irgendwann ist es ja auch mal gut mit all dem Change. Jeden Tag werden wir mit dem permanenten Wandel getriezt. Ständig sollen wir uns adaptieren, lebenslang lernen, jeden noch so sinnlosen Trend mitmachen. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen von diesem Veränderungsdruck öfter mal eine Auszeit brauchen. Viele davon hochdotierte Leistungsträger.

Weil aber nicht jeder gleich aussteigen kann oder will, jedenfalls nicht dauerhaft, nehmen sie sich eben die Art von Auszeit. Die lässt sich in jede Jahresplanung integrieren. Sie besuchen ein Hotel, in dem man sich für einige Zeit gut vor dem Wandel verstecken kann. Und dabei unter Gleichgesinnten ist. Eines jener grundsoliden Traditionshäuser, in denen die Welt noch in Ordnung und nichts kompliziert ist. Wie das Schlosshotel Friedrichsruhe im baden-württembergischen Zweiflingen.

Eine kurze Anreise ist dabei von Vorteil, am Montag ist ja Aufsichtsrat. Aber bitte abgeschieden: grün, ländlich, idyllisch. Hauptsache, es trampeln keine lauten chinesischen Reisegruppen über den englischen Rasen. Und keiner kommt auf die Idee, abends ein Büffet zu veranstalten.

Golf, Wellness und Sterne-Küche muss es schon sein. Aber bitte keine Designer-Möbel, deren Funktion sich nicht auf den ersten Blick erschließt. Ein Hotel eben, das vor allem keinen Grund zur Beanstandung gibt. Das kann doch nicht so schwer sein.

Das Schlosshotel Friedrichsruhe ist für Gäste, die auf höchstem Niveau residieren wollen, aber keine Experimente mögen, blendend aufgestellt. Eine solide Positionierung, gerade heute. Mich interessiert: Wie passt das Fünf-Sterne-Superior-Hotel in die Luxus-Landschaft?

Konzept

Konzeptionell fokussiert sich das Schlosshotel Friedrichsruhe auf die klassischen Aktivitäten verwöhnter Fünf-Sterne-Stammgäste: Wellness, Golf und Gourmet-Küche – und das alles auf höchstem Niveau. Es liegt etwa 25 Kilometer nordöstlich von Heilbronn und etwa genauso weit nordwestlich von Schwäbisch Hall, sozusagen mitten auf der grünen Wiese.

Die Verpackung für diese Leistungen könnte passender nicht sein. Wie der Name schon sagt, handelt es sich beim Wald & Schlosshotel Friedrichsruhe, so der volle Name des Hotels, tatsächlich um ein romantisches Jagdschloss. Es wurde zu einem luxuriösen Fünf-Sterne-Superior-Hideaway inmitten einer 44.000 Quadratmeter großen Parklandschaft umfunktioniert. Einen „Ort der Ruhe und des Genusses“ nennt der Betreiber das Hotel in seiner Kommunikation. Und auch „eines der besten deutschen Wellness-Resorts“.

Schlosshotel Friedrichsruhe Innenpool

Ersterem stimme ich ohne Zögern zu. Ich brauche nicht viel mehr als einen ersten Rundgang nach dem Check-in, um zu erkennen, dass es mir hier gut gehen wird. Letztere Behauptung ist allerdings ein Maßstab, an dem ein Hotel sich von jedem Gast einzeln messen lassen muss. Denn hier kommen persönliche Vorlieben ins Spiel. Für den Moment also meine.

So viel vorab: Qualitativ wird der Claim zweifellos eingelöst. Bei einigen weniger eindeutigen Details nehme ich mir allerdings die Freiheit zu differenzieren. Betrachtet man die zentralen Alleinstellungsmerkmale, hält das Versprechen zweifellos.

Ausstattung

  1. Gourmet-Küche: Ein Zwei-Sterne-Restaurant (hier unter Leitung von Spitzenkoch Boris Rommel) haben tatsächlich nicht mehr viele Hotels zu bieten – nicht zuletzt deshalb, weil Sterne-Küche sich für ein Hotel nur noch in Ausnahmefällen rechnet.
  2. Golf: Statt eines profanen 18-Loch-Golfplatzes stehen hier gleich 27 Löcher zur Verfügung, also ein zusätzlicher Neun-Loch-Kurs obendrein. Da ich im Januar angereist bin, ist der Platz geschlossen, doch ein Blick auf die Anlagestimmt mich optimistisch: Dieser Kurs dürfte top sein.
  3. Wellness: Hier bleiben keine Wünsche offen – weder bei den Damen noch bei den Wellness-affinen Herren wie mir selbst.

Der Spa ist riesig und lässt es auch verwöhnten Wellness-Freaks an nichts mangeln. Sowohl die Einrichtung (fünf Saunen, zwei Pools, Top-Gym) als auch das Angebot sind komplett. In den Disziplinen Entspannung, Gesundheit und Beauty gleichermaßen. Die Mitarbeiter sind bestens geschult, extrem kompetent und haben ein hervorragendes Auge für individuelle Bedürfnisse.

Vor allem aber bietet der Spa etwas, das sogar in den besten Wellness-Bereichen oft rar gesät ist: Freiraum. Überall finde ich großzügige Ruhebereiche vor. Bequem und komplett möbliert, teils mit offenem Kamin, voll auf Entspannung ausgerichtet. Dass auch in diesen Lounge-Bereichen eine Totenstille herrscht, ist Geschmackssache. Mir fehlt es hier an einer dezenten Untermalung mit entspannender, loungiger Musik. Ein anderer mag die völlige Ruhe aber vorziehen.

Was die Qualität betrifft, bleibt der positive Eindruck auch im Vergleich mit anderen Top-Hotels auch jenseits von Gastro, Golf und Wellness bestehen. Die gesamte Ausstattung der öffentlichen Bereiche und auch meines Zimmers ist auf sehr hohem Niveau. Damit meine ich nicht nur das Offensichtliche, wie die grundsoliden Echtholzmöbel, das wertige Bad und die komplett ausgestattete Minibar. Hier wird wirklich an nichts gespart. 20 Kaffeekapseln habe ich noch in keinem Hotel inklusive bekommen.

Ich meine ausdrücklich auch jene subtilen oder gar verborgenen Ausstattungsmerkmale, bei denen anderswo gern gegeizt wird. Die Qualität von eingebauten Deckenstrahlern etwa, die Zimmertechnik, die Textilien. Hier ist die Welt tatsächlich noch in Ordnung. Auch unter der Oberfläche ist das Schlosshotel eine Trutzburg deutscher Gründlichkeit. Bravo!

Wenn ich aus den Tiefen dieses messbaren Qualitätsurteils an die Oberfläche der Anmutung zurückkehre, kommen allerdings wieder die Geschmacksfragen ins Spiel. Über Design darf gestritten werden. Und an diesem Punkt hat das Schlosshotel in meinen Augen den Anschluss an die Konkurrenz anderer Grand Hotels verloren.

Und zwar nicht erst gestern, sondern vorgestern. Beim gesamten Interieur ist der Lack ab. Nicht physisch, sondern gestalterisch. Auf meinem Zimmer, in den Aufenthaltsbereichen im Spa, in der Lobby und auch im Restaurant fühle ich mich in eine vergangene Epoche zurückversetzt.

Schlosshotel Friedrichsruhe Gastronomie

Nun könnten Sie natürlich sagen: Was will der Rath denn – er hat doch selbst geschrieben, dass es sich um ein altes Jagdschloss handelt! Doch genau da liegt in meinen Augen das Problem. Wenn das Schlosshotel sich auf den Schloss-Stil festgelegt oder klar erkennbare Linien zwischen Tradition und Moderne gezogen hätte, wäre ich vermutlich ein Fan.

Das Problem ist, dass die Bezüge zur Herkunft der alten Jagdresidenz außer in einigen Räumen in der Gastronomie inkonsequent und uninspiriert sind. Geweihe kann auch Jägermeister. Das Problem ist, dass es nicht das 19. Jahrhundert ist, das ich an allen Ecken und Ende trapsen höre – sondern die 90er.

Nichts lieber als geschickt inszenierte Stilbrüche. Aber was hier noch als modernes Design durchgehen will, hat in der Nachbarschaft längst jeder Häuslebauer drauf. So geht es mir ein wenig wie Kindern, wenn sie ihre Eltern besuchen: Für ein paar Tage wohlfühlen kann ich mich hier allemal. Ich selbst würde mich anders einrichten.

Experimente wagt das Schlosshotel dafür ausgerechnet in einem Detail, das mich am ersten Morgen fast aus den Badelatschen haut. Die Amenities duften nach Rotwein. Rotwein! Am Morgen! In der Dusche! Das ist keine Geschmackssache mehr, das ist eine Geschmacksverirrung.

Service

Beim Service ist die Welt dann wieder ganz in Ordnung – fast jedenfalls. Direktor Jürgen Wegmann hat sein Team ganz offensichtlich sehr gut zusammen- und aufgestellt. Sein Haus funktioniert rational gesehen wie ein Uhrwerk. Als Kollege sehe ich das zum Beispiel an der Kammer, deren Tür einen Spalt offensteht, als ich vorbeigehe. Da drin sieht es ordentlicher aus als in einem Soldaten-Spint vor der Stubenkontrolle. Mitarbeiter, die sogar hinter den Kulissen so gründlich und professionell arbeiten, sind offensichtlich mit einem hohen Ethos und Anspruch an ihren Job unterwegs – große Klasse.

Dieser professionelle Eindruck spiegelt sich bei den typischen Prozessen und Touchpoints auch in meiner ganz persönlichen Gasterfahrung. Von der Rezeption über die Gastronomie bis zum Spa machen (fast) alle Mitarbeiter ihre Sache nicht nur kompetent, sondern auch freundlich und sympathisch. Diana, die mich im Spa mit einer exquisiten Behandlung verwöhnt, ist genauso persönlich und herzlich, wie sie kompetent ist. Solche Mitarbeiter wünscht sich jeder Hotelier.

Deshalb ist es ihnen auch nicht vorzuwerfen, dass es im Vergleich mit den Besten der Besten dann doch ein paar haarfeine Risse im perfekten Bild gibt. Und die sind mal keine Geschmackssache. Prozesse haben nämlich ihre Grenzen. Vielen Gästen mag das gar nicht auffallen, den Anspruchsvollsten schon. So ist es zum Beispiel schön und gut, dass im großartigen Saunabereich reichlich hochwertige Handtücher für die Gäste bereitliegen. Auch das ist leider keine Selbstverständlichkeit.

Dass diese Handtücher nur im Eingangsbereich liegen, zeigt mir allerdings, dass aus Gastsicht am Ende dann doch ein Gedankenschritt zu wenig gemacht wurde. Und dass die freundliche Mitarbeiterin mir auf meine Bitte um ein weiteres Handtuch fröhlich antwortet: „Ja gerne, liegen im Eingangsbereich“, zeigt mir, dass dieses allerletzte Quäntchen Haltung auf dem Weg zur Service Excellence einfach nicht vermittelt wurde.

In diesen Feinheiten der Interaktion am Gast trennt sich in der absoluten Spitze die Spreu vom Weizen. Im Brenners Parkhotel & Spa in Baden-Baden etwa, einem in vielerlei Hinsicht ähnlich positionierten Haus, würden sich die Mitarbeiter eher einen Arm ausreißen, als den Gast für den suboptimalen Prozess büßen und selbst marschieren zu lassen. Zugegeben, an dieser Stelle vergleiche ich das Schlosshotel mit dem besten Hotel Deutschlands. Aber diesen Vergleich hat es selbst gewählt.

Gastronomie

Schlosshotel Friedrichsruhe Restaurant

Auch in der Gastronomie, einem der zentralen USP des Schlosshotels, muss man schon Haare spalten, um wirklich Anlass zur Kritik zu finden. Das LeCerf, wo (wie in der gesamten Gastronomie des Hauses) der mit zwei Sternen dekorierte Spitzenkoch Boris Rommel das Sagen hat, muss in der Tat keinen Vergleich scheuen.

Das Menü „Truffe“ etwa erfreut mich in jedem Gang. Vor allem die originell angerichteten Macarons und Eistütchen der anderen Art kitzeln meinen Gaumen genau an den richtigen Stellen. Die Zusammenstellung des Menüs mag nicht die innovativste sein, die ich je gesehen habe, doch dies ist auch kein Hotel für Experimentierfreudige.

Eine gute Idee: Im „Chef’s Room“ wird das Dinner zum Event. Hier kann man, nur durch eine Glasfront von der Küche getrennt, dem Chef bei der Arbeit zuschauen. Überhaupt gefällt mir in der Gastronomie das Ambiente am besten. Denn hier ist das Konzept Jagdschloss konsequent umgesetzt, und bis hin zum Besteck hat alles Klasse.

Auch in den anderen beiden Restaurants (bzw. drei, wenn man das Spa-Bistro einrechnet) speist man ausgezeichnet. Mein Wiener Schnitzel in der Jägerstube ist keine Offenbarung, aber von bester Qualität. Der einzige Makel der gesamten Gastronomie: Die Preise sind objektiv betrachtet zu hoch. Das ist keine Geschmackssache, wohl aber eine Prioritätenfrage. Die meisten Gäste wird es nicht stören.

Zum Schluss hätte ich da noch eine Frage, und sie hat wieder mit jener Haltung zu tun. Wie erklärt man vor allem Kurzzeitgästen, dass das kulinarische Aushängeschild des Hauses montags und sonntags geschlossen bleibt und die Küche auch an den übrigen Tagen nur für zwei Stunden (19 bis 21 Uhr) geöffnet ist? Für Spontanität bleibt da kein Raum. Als Kollege bin ich sicher, es gibt gute Gründe dafür. Doch als Gast bin ich nicht sicher, ob sie mich interessieren.

Es ist nämlich so: Ein Standard-Zimmer im Schlosshotel Friedrichsruhe kostet ab 340 Euro. Auf dem Papier lautet die Antwort, ob es das wert ist, für mich: ja. Auf der subjektiven Ebene kennt die Zahl der Kompromisse, die ich in dieser Preisklasse bei meinen Vorlieben machen möchte, allerdings ihre Grenzen.

Fazit

Während meines Aufenthalts im Schlosshotel Friedrichsruhe muss ich immer wieder an eine Luxuslimousine aus den 90ern denken. Gerade galt sie noch als Krone der Automobilkunst, heute ist sie auf dem Papier schon fast ein Oldtimer. Weltenbummler, die den Vergleich mit internationalen Top-Hotels neuester Generation haben, mögen sich angesichts der Preise, die hier aufgerufen werden, die Augen reiben.

Betrachtet man das Hotel aus dem Blickwinkel von Gästen mit konservativen Ansprüchen, erschließt sich jedoch, warum das Hotel während meines Besuchs sogar in der Nebensaison ausgebucht ist. Die Menschen, die einen Klassiker aus Überzeugung weiterhin fahren, werden sich nicht daran stören, wenn der Lack hier und da stumpf wird. Dafür weiß man hier, was man hat. Lieber werden sie weiterhin die zu hohe Tankrechnung zahlen, als Kompromisse bei der Qualität zu machen und sich dem anzupassen, was andere für modern halten.

Wer kann es ihnen verdenken? Doch wenn einem Grand Hotel eines nicht passieren darf, dann, dass es den Anschluss verliert. Es darf über die Gäste von heute die von morgen nicht aus den Augen verlieren. Das Schlosshotel Friedrichsruh ist vollkommen zu Recht sehr erfolgreich. Ein Blick in die Zukunft täte ihm allerdings gut, solange die Welt noch in Ordnung ist.


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