Das „Ritz“ des Nahen Ostens

Das Phoenicia Beirut zeigt, warum die libanesische Hauptstadt als „Paris des Nahen Ostens“ gilt. Hotelexperte Carsten K. Rath hat eingecheckt.

Es ist noch nicht lange her, dass im Libanon Krieg herrschte. Bei der Fahrt vom Flughafen in die nur zehn Minuten entfernte Innenstadt fällt mir sofort der Kontrast ins Auge, der diese Stadt prägt: Ausgebombte Gebäude sind besonders in den Außenbezirken noch immer allgegenwärtig.

Sie erinnern an das Leid, das zuletzt der Libanonkrieg 2006 über die Stadt gebracht hat – nicht zum ersten Mal in ihrer konfliktreichen Geschichte.

Doch das ist eben nur die eine Seite von Beirut – und schon kurz nach meiner Ankunft gerät sie fast in Vergessenheit. Denn Beirut ist zugleich ein aufregende, vor Energie sprühende Stadt und eine Traum-Destination für einen außergewöhnlichen Wochenendtrip: Nur dreieinhalb Flugstunden von Frankfurt entfernt, lockt eine jahrtausendealte und zugleich quicklebendige Kultur, die eine Vielzahl architektonischer Highlights, hervorragender Bars, exzellenter Gastronomie und nicht zuletzt ausgezeichneter Hotels umrahmt

Je näher ich der Innenstadt komme, desto mehr hellt sich das Bild auf, wandelt sich in eine geradezu romantische Szenerie: Rund um restaurierte, alte Stadtpalais und neue, hochmoderne Prachtbauten wurden die verbliebenen alten Palmen durch neue Begrünung ergänzt. Entlang der Küstenstraße herrschen buntes Treiben und die typisch quirligen Verkehrsverhältnisse.

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Spätestens auf der wunderschönen Uferpromenade erkennt der Besucher: Der Krieg ist definitiv vorbei, und die Angst ist dem tobenden Leben gewichen. Und direkt gegenüber der Zaitunay Bay, auf der anderen Seite der Küstenstraße, unweit des geschäftigen Beirut Central Districts, liegt in der Rue Fakhreddine das herrschaftliche „Phoenicia Hotel“ mit seinen 418 Zimmern und 44 Suiten.

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Hier bin ich Prinz, hier darf ich‘s sein

Der österreichische Empfangschef, ein Baum von einem Kerl, vermittelt sofort ein Gefühl der Ruhe und Sicherheit: „Hier sind Sie zu Hause. Schön, dass Sie da sind!“, begrüßt er mich herzlich, bevor mich zwei libanesische Damen mit einem breiten Lächeln in die gewaltige Lobby des glänzenden Marmorpalasts geleiten. Hier bin ich Prinz, hier darf ich‘s sein.

Wer es nicht weiß, würde die dramatische Geschichte des Gebäudes nicht im Traum erahnen: Im libanesischen Bürgerkrieg wurde das Haus als Bastion von Heckenschützen zur Kulisse des sogenannten „Battle of the Hotels“ – übrig blieb nur eine ausgebrannte Ruine.

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Weitläufig, aber doch gemütlich und persönlich

Heute ist im Phoenicia, das in seiner Ausdehnung und Komplexität beinahe eine Stadt in der Stadt ist, die nahöstliche Welt wieder in Ordnung. Werde ich dasselbe über meinen Aufenthalt in diesem traditionsreichen Haus sagen können?

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Im Osten viel Neues

Vom ersten Moment an erzeugt die Gesamtanmutung des Interieurs ein vertrautes Gefühl bei mir – von der Materialauswahl über die Dekoration bis hin zur Farbpalette. Eine altbekannte Melodie beginnt in meinem Kopf zu klingen: „Puttin‘ on the Ritz …“

Das westliche Vorbild ist unverkennbar, während ich durch die üppigen Marmorhallen schlendere und die Atmosphäre in mich aufnehme. Doch die stilistische Anlehnung steht dem erst vor sechs Jahren modernisierten Gebäude gut: Grüne, mahagoni-farbige und beige Marmorflächen wurden in geschmackvoller Balance kontrastiert.

Die neuen Teppiche leuchten wie im Adlon zu seinen besten Zeiten, und die Dekoration schafft den schwierigen Spagat zwischen Prunk und ästhetischer Besonnenheit. Alles ist in einem außerordentlich guten Zustand – was nicht zuletzt damit zusammenhängen dürfte, dass das Hotel allein 65 Techniker beschäftigt.

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Die Ambassador Suite, die ich bewohne, erstreckt sich über 180 mondäne Quadratmeter und glänzt mit einem märchenhaften, unverstellten Blick auf die Bucht. Die Finesse der Ausstattung mit ihren nahöstlichen Details in westlicher Rahmung und die makellose Sauberkeit kann mich schon auf den ersten Blick begeistern. Auch die Liebe zum Detail, mit der Dekoratives und Nützliches arrangiert wurde, ist dem Vielreisendem willkommen.

Alles wirkt großzügig und weitläufig, gleichzeitig gemütlich und persönlich.

Die Facilitys wissen ebenfalls zu überzeugen: Unzählige großzügige Aufenthaltsbereiche laden in den zahlreichen Hallen und Nischen des Hotels zum Verweilen ein und vermitteln stets ein exklusives Flair. Schlicht überwältigt hat mich der Spa-Bereich mit seinem Indoor-Pool und dem geradezu gigantischen Fitnessstudio, das besser ausgestattet ist als so manches Franchise-Studio in Deutschland.

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Genuss auf ganzer Linie

Die Gastronomie im Phoenicia, die vier Restaurants und Bar-Lounges umfasst, hat eine Herausforderung zu bewältigen, die für Hotels in diesem Teil der Welt typisch ist: Viele Rohstoffe und Produkte, die in einem international ausgerichteten Grand Hotel zum Standardrepertoire gehören, müssen importiert werden.

Die gute Nachricht ist: Den kulinarischen Spitzenkräften in diesem Hotel gelingt es besonders, mit den Produkten zu glänzen, die sie selbst herstellen können. So stellen gerade die Brotauswahl und die aus heimischen Früchten gefertigten Marmeladen für mich die Highlights des Frühstücksbuffets dar. Die Schokolade stammt zwar aus der Schweiz, doch die hauseigene Patisserie verwandelt das Rohprodukt mit 80 Prozent Kakao-Anteil in Kreationen auf Weltniveau.

Die Kombination aus hoher Individualität in der Umsetzung und gekauftem Luxus aus aller Welt wurde in der Gastronomie des Phoenicia perfektioniert: Ich habe keinen einzigen enttäuschenden Bissen gegessen.

Viel Personal hilft auch viel

Personal ist im Phoenicia mit seinen 750 Mitarbeitern im Überfluss vorhanden – und dieser Vorteil gegenüber vielen westlichen Häusern macht sich in der Servicequalität deutlich bemerkbar. Das beginnt schon beim Check-in, der unauffällig in die galante Empfangszeremonie integriert wird und auf dem Zimmer stattfindet. Ein perfekt umgesetztes Detail der Gastorientierung: Der nervige Prozess wird von der herzlichen Begrüßung einfach überstrahlt.

Auch im Spa ist die Beratung, wie in allen Bereichen des Hotels, hervorragend. Die Mitarbeiterin, von der ich eine Maniküre bekomme, erweist sich nebenbei als Guest-Relations-Talent. Hochprofessionell kann sie jede Frage beantworten, die ich ihr über das Hotel stelle. „It’s my home“, antwortet sie mir, als ich mich erkundige, ob sie sich wohlfühlt. Ein größeres Kompliment kann man seinem Arbeitgeber wohl kaum machen.

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Für den Gast ist der Charme von General Managerin Dagmar Symes jederzeit spürbar. Seit vier Jahren ist sie im Libanon. Bevor sie von den Eignern des Phoenicia abgeworben wurde, führte sie bereits das Kempinski Beirut. Schon die Tatsache, dass sie sich als Frau erfolgreich in der Führung des besten Hauses am Platz behauptet, ist eindrucksvoll; ihr Führungsstil umso mehr.

Aus der Erfahrung des Grand Hoteliers weiß ich zu schätzen, wie ihre Handschrift den Service prägt: Mit unsichtbarer Hand steuert sie das Gasterlebnis und tritt als gute Seele des Hauses stets im richtigen Moment in Erscheinung.

Der einzige Wermutstropfen ist die Telefonzentrale. Sie ist mit einem jungen Mitarbeiter besetzt, der sich hartnäckig weigert, englische Telefonate mit dem Ausland zu führen und durchzustellen, was mich wiederholt vor organisatorische Probleme stellt. Doch nicht einmal das kann den ausgezeichneten Gesamteindruck noch schmälern: Das Phoenicia Beirut sucht nicht nur im Nahen Osten seinesgleichen.


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