„KPM Hotel & Residences Berlin“: Spannender Bruch mit dem Gewohnten

Highlight in Charlottenburg: Die bodentiefen Panoramafenster mit den verschachtelten Erkern sind zum optischen Markenzeichen des 2019 eröffneten Hotels geworden © KPM Hotel & Residences
Unser Kolumnist (Capital Online) zählt zu den renommiertesten Hotelexperten Europas. Er stellt die besten Häuser vor. Diesmal: das „KPM Hotel & Residences“ in Berlin, wo traditionsreiches Porzellan und modernes Hoteldesign zusammenkommen

Wer hier eincheckt, der wird Teil einer glorreichen Geschichte. Schließlich geht die Gründung der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin, kurz: KPM, auf Friedrich den Großen zurück. Der gönnte sich 1763 eine eigene Produktion für das „weiße Gold“ und ließ seine Schlösser üppig mit Porzellan-Servicen ausstatten. Besondere Stücke landeten als Gastgeschenke bei europäischen Monarchen.

Neben dem historischen Gebäudekomplex, der nur fünf Gehminuten von der S-Bahnstation Tiergarten entfernt ist, sticht das 2019 eröffnete KPM Hotel & Residences mit seiner betont modernen Architektur umso deutlicher heraus. Als Erweiterung der legendären Fertigungsstätte und für, so höre ich vor meinem Besuch, eine „Premium-Hospitality“-Erfahrung.

Die Beziehung der zwei Bauten ist symbiotisch: Im Hotel sind die öffentlichen Bereiche mit hochwertigen Porzellanobjekten dekoriert und in der Manufaktur finden Events statt, die auch die Hotelgäste interessieren dürften. So wurde dort etwa der 80. Geburtstag des „Jahrhundertkochs“ Eckart Witzigmann gefeiert mit mehr als 600 geladenen Gourmets und allen Drei-Sterne-Köchen, die je für den Jubilar gearbeitet hatten. Ein Coup für die gesamte KPM-Markenwelt.

Immer an der Wand lang: Beim Interior Design setzt Geschäftsführer Tobias Berghäuser im ganzen Haus auf überraschende Kombinationen und bewusste Stilbrüche © KPM Hotel & Residences

Auf jedes Details kommt es an – wie auf einer Festtafel

Als geschäftsführender Direktor leitet Tobias Berghäuser das Haus seit der Eröffnung vor fünf Jahren. Nur wenige Monate vor dem Beginn der Coronapandemie trat er seine Stelle an. Keine leichte Aufgabe für jeden Hotelier oder Gastronomen. Mir gefallen Berghäusers Humor, sein Fokus aufs Wesentliche und die bedingungslose Liebe zum Detail. „Es sind immer die Kleinigkeiten, die überraschen“, betont er im Gespräch.

Bei meinem Aufenthalt erlebe ich viele solcher positiven Überraschungen, wie beispielsweise das Namensschild, das bereits auf meinem Parkplatz in der Tiefgarage wartet. Außerdem begeistert mich das Duftkonzept des Hotels. Während in einigen Luxushotels die Parfüms per Klimaanlage, Stäbchen im Glas oder Spray verteilt werden – mit kaum konsistentem Ergebnis – setzt man im KPM Hotel auf Duftverteiler in der Steckdose. Die befüllen Mitarbeiter mit „Orange Blossom“ von Molton Brown. Die Intensität bleibt in jedem Raum im wohlriechenden Bereich.

Auch anderswo im KPM Hotel achtet man auf Details. So überprüfen die Mitarbeiter der Rezeption jedes Zimmer nach der Reinigung. Im Zimmer selbst sind die Sitzmöglichkeiten klug verteilt und die Schränke fallen besonders groß aus. Die Botschaft: Hier soll bitte niemand aus dem Koffer leben müssen oder gar darüber stolpern. Bei mir erzeugen Tobias Berghäuser und sein Team mit ihrer Akribie ein angenehmes Gefühl des Vertrauens und Aufgehobenseins.

Richtig frisch: Die 117 Zimmer und 14 Suiten (o.) sind bewusst modern und hell gehalten. Lediglich dezente Porzellanobjekte bilden einen Link zur Marke KPM © KPM Hotel & Residences

Individualität und Stil, von außen wie innen

Sehr sorgsam durchdacht wirken auch Architektur und Design des Hauses. Die Tiefgarage ist tiefrot gepinselt und auf den Grünflächen vor dem Hotel liegt roter Rindenmulch, als Kontrast zur recht dunklen Fassade. Im Inneren hat jedes Porzellankunstwerk durchweg seinen idealen Platz gefunden und ich entdecke viele ungewöhnliche Motive. Auch die Anzahl stimmt, sodass die Verbindung zur Manufaktur immer sichtbar ist – doch altmodisch wirkt das Dekor trotzdem nicht.

In den modern gestalteten Zimmern des KPM Hotels dominiert eine minimalistische Palette aus weiß, schwarz und grau. Man übernachtet hervorragend. Die 350 Quadratmeter große Präsidentensuite dient heute als Veranstaltungsfläche mit Rohbau-Charme. Berghäuser beschreibt sie augenzwinkernd als „abgefucktes Berlin für Spießer“. Bei Sonnenschein und wärmeren Temperaturen steht für Events auch die Dachterrasse zur Verfügung, von der aus man einen fantastischen Blick auf die Hauptstadt hat.

Einen ganz eigenen Weg geht auch die Gastronomie des KPM Hotels, nämlich mit dem „Dong A“, dessen Karte die vietnamesische Küche um Impulse vom Mittelmeer ergänzt. Das nicht-eigene Restaurant wirkt dennoch wie ein integraler Bestandteil des übrigen Hotels, was ich als gutes Zeichen werte (und das nicht allein wegen des edlen KPM-Porzellans auf den Tischen). Auch die verkosteten Fusion-Gerichte überzeugen mich.

Insgesamt erlebe ich das fünf Jahre junge KPM Hotel als ein ungewöhnliches Haus mit angemessenen Tarifen: Während der Tourismusmesse ITB übernachtet man hier für knapp unter 200 Euro in einem großen Apartment – ein für diese Ausstattung, Serviceleistung und Lage überaus fairer Preis.

Beste Aussichten: Bei gutem Wetter bietet die Dachterrasse des Hotels einen fantastischen Blick über den Tiergarten und das Panorama der Hauptstadt © KPM Hotel & Residences

Junge Hotelkonzepte bereichern die Hauptstadt

Es muss wirklich nicht immer das Adlon sein, denn auch anderswo in Berlin haben kleine, privat geführte Häuser viel zu bieten und schlagen manchen etablierten Namen mittlerweile um Längen. Ein besonders gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bietet das Dorint Hotel am Kurfürstendamm. Das Haus im Boutique-Stil ist attraktiv ausgestattet und punktet vor allem als Ort für Konferenzen oder Veranstaltungen im größeren Stil. Im Stadtteil Mitte wiederum steht das Telegraphenamt, einst eine Verbindungszentrale und nun ein charmantes Hotel in einem denkmalgeschützten Gebäude, das einen gewissen Kult-Faktor besitzt. Mutige Konzepte, die mitreißen und begeistern, braucht Berlin dringend. Schließlich steht unsere Hauptstadt für die schlechtesten durchschnittlichen Übernachtungsraten in Europa.

Sicher, erstklassige Häuser wie das Hotel de Rome, das zum Portfolio von Sir Rocco Forte gehört, stechen unter den etablierten Playern positiv heraus. Allerdings ist seine Zukunft ungewiss, denn der Pachtvertrag läuft spätestens 2026 aus, und Gerüchten zufolge sollen sich hinter den Kulissen bereits Konkurrenten wie Four Seasons und Mandarin Oriental in Stellung bringen. Auch das könnte die Raten für die Hoteliers verbessern und zusätzliche internationale Gäste anlocken. Davon würden alle Berliner Herbergen profitieren, auch das KPM Hotel. Verdient wäre es auf jeden Fall.

Tipps für den Aufenthalt

Brasserie Colette: Dieses französische Restaurant, das von dem renommierten Berliner Koch Tim Raue betrieben wird, ist ein kulinarisches Highlight ganz in der Nähe des Hotels. Genießen Sie klassische französische cuisine mit einem zeitgemäßen Twist, die von den Gourmet-„Bibeln“ Gault&Millau und Guide Michelin gleichermaßen gelobt wird.

Museum Berggruen: Kunstinteressierte dürften sich für die beeindruckende Sammlung moderner Werke begeistern, die der 2007 verstorbene Sammler und Galerist Heinz Berggruen zusammengetragen hat. Sie umfasst wichtige Arbeiten von Pablo Picasso, Paul Klee, Henri Matisse und vielen anderen bedeutenden Künstlern des 20. Jahrhunderts.

Café am Neuen See: Dieses „urbane Landhaus“, wie es die Macher beschreiben, liegt direkt am Seeufer im Tiergarten und bietet neben deftigen, teils bayerischen Gerichten vor allem einen der schönsten Biergärten Berlins. Perfekt für einen Nachmittagsespresso oder ein abendlichen Hefeweizen unter stimmungsvollen Lampions.

Raths Reise-Rating

1 Ganz großes Kino

2 Wenn’s nur immer so wäre

3 Meckern auf hohem Niveau

4 So lala, nicht oh, là, là

5 Besser als im Hostel

6 Ausdrückliche Reisewarnung

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