Jagdhof Spa-Hotel, Stubaital/Tirol: Noble Hütte

Das Jagdhof Spa-Hotel in Neustift im Tiroler Stubaital ist ein Hotel, wie es nicht mehr viele gibt. Seit vier Jahrzehnten familiengeführt, hält es alte Tugenden hoch – und bietet gleichzeitig die Annehmlichkeiten eines hochmodernen Wellness-Hotels auf Weltniveau. Ich habe eingecheckt um herauszufinden, ob der Luxus-Mythos Alpenhütte noch denselben Glanz ausstrahlt wie früher.

Haben Sie sich auch schon mal gefragt, warum es in Hollywood-Filmen so oft Hotelszenen gibt? Es mag damit zu tun haben, dass man gar keine besseren Kulissen bauen kann, als manche Hotels auf der Welt sie fix und fertig bieten. Aber ich habe einen anderen Verdacht: Ich glaube, dass die Hotels vielen berühmten Szenen überhaupt erst ihren magischen Glanz verleihen. Was wäre mancher James-Bond-Film ohne das sagenhafte Setting in einem glitzernden Hotelcasino gewesen? Wie romantisch hätten manche von Bonds Liebschaften gewirkt, ohne den Hintergrund einer dekadenten Suite? Wie viel effektvoller wirken die hasserfüllten Blicke zwischen dem Agenten und seinen Gegenspielern, wenn sie sie einander quer durch eine marmorne Lobby zuwerfen?  

Als ich das Jagdhof Spa-Hotel (Mitglied des Relais & Châteaux–Verbundes) im idyllischen, verschneiten Stubaital in 1000 Metern Höhe betrete, habe ich selbst einen kleinen Hollywood-Moment: Hier anzukommen ist, wie von diesem besonderen Glanz umhüllt zu werden. Sofort fühle ich mich in diese warme, verführerische Welt hineingezogen, als hätte man nur auf mich gewartet. Vielleicht liegt es an Sandra in ihrem blauen Trachtenkleid, die mir zur Begrüßung ein heißes Tuch reicht; vielleicht liegt es am Licht und am Duft des Holzes.  

Es ist so heimelig, wie es nur geht – doch lugt hinter der Ecke nicht ein Bösewicht im Maßanzug hervor? Das kann ja spannend werden.  

Der Jagdhof verbindet die Vorteile eines besonders luxuriösen Alpenhotels und eines modernen Lifestyle-Hotels miteinander. Das ist durchaus eine gewagte Kombination. Groß ist die Gefahr, dass das Traditionshaus sich ein Gimmick zu viel von den mehr oder weniger stylishen neuen Design-Wellness-Hotels abschaut und darüber seine Eigenständigkeit einbüßt.  

Auf dem Papier steht das Haus genauso eindrucksvoll da, wie es physisch am Berg thront: Die Familie Pfurtscheller hat hier in über 40 Jahren ein beachtliches Gesamtkunstwerk geschaffen. Der Spa-Bereich, auf dem das Konzept ruht, ist ganze 3000 Quadratmeter groß. Hinzu kommt ein 5000 Quadratmeter großer Garten mit Liegewiese und Pool. Die „Vitalwelt“ verfügt über nicht weniger als 20 verschiedene Saunen und Dampfbäder. Im sogenannten Spa-Chalet gibt es Cocooning-Bereiche und eine private, 100 Quadratmeter große Spa-Suite für Paarbehandlungen. Hinzu kommt ein separater Bereich für Beauty-Behandlungen mit exklusiven Produkten.  

Das Spa-Konzept, das den Kern der Positionierung des Jagdhofs als „Spa-Hotel“ bildet, ist vom Feinsten. Die Frage ist aber: Wie ist all das eingebettet? Fühlt man sich beim Betreten der Behandlungsräume plötzlich in einen balinesischen Tempel oder eine Düsseldorfer Klinik versetzt? Zum Glück nicht: In keiner Ecke des Wellness-Bereichs geht das die besondere, wohlig-warme Atmosphäre einer Berghütte verloren. Kein bemühter Wellness-Schnickschnack in Sicht. Der Lifestyle-Aspekt und die neueste Spa-Technologie wurden professionell integriert, ohne den Alpen-Charme zu konterkarieren.  

Wie sieht das Ausstattungskonzept jenseits des Signature–Spa-Bereichs aus? Kurz gesagt: Beruhigend entspannt. Was mir am Interieur und den Komfortausstattungen des Jagdhofs besonders gut gefällt, ist die Selbstverständlichkeit: Der Luxus ist schon beim Betreten der Räume spürbar, ohne mich anzuspringen. Ich rieche und fühle ihn – und so habe ich meinen Luxus am liebsten.  

Viele Hotels müssen prahlen und protzen, um eine kostbare Anmutung zu inszenieren; hier hat man das nicht nötig. Die Qualität erschließt sich aus der Mischung von feinsten Materialien, vornehmer Zurückhaltung in der Deko und der flüsterleisen und genau deshalb schon fast erotischen Haptik jedes Zentimeters. Die Intarsien und Schnitzereien im ganzen Haus sind feinste Handarbeit. Die Sessel sind so schwer und hochwertig, dass man sich einen Edel-Schurken Zigarre rauchend und philosophierend darin vorstellen kann – aber keinen niveaulosen Rüpel, der damit wirft. Der riesige Kamin in der Gaststube ist mit einer echten Barock-Skulpur und einem riesigen Bronzeteller dekoriert und wahrscheinlich der schönste, den ich je gesehen habe. Die Schnapsflaschen an der Bar sehen nicht nur aus, als wären sie für dieses geschnitzte Regal entworfen worden; es sind ganz natürlich auch die feinsten Schnäpse der Welt von Rochelt.   

Die 70 Zimmer – 16 davon Suiten – setzen natürlich den extrem hochwertigen und traditionsorientierten Stil nahtlos fort: Die alten Bauernmöbel, die Holzvertäfelungen, Deckenbalken und Dielenböden aus Fichte und Zirbe, die geschnitzten Betten und gusseisernen Blütenkelch-Nachtlampen, die floralen Vorhänge und die konservativen Farbschemata in jedem der individuell gestalteten Zimmer muss man nicht einmal zwingend schön finden – seiner Gemütlichkeit kann man sich nicht entziehen. Die Solidität jedes Stücks ringt mir Respekt ab: Egal, was ich anfasse – selbst Bond in seinen intensivsten Zweikämpfen hätte Mühe, hier irgendetwas kaputtzukriegen.  

Das Bad hat vielleicht keinen Wow-Effekt, ist aber ebenfalls von bester Qualität und extrem solide gestaltet. Moderne Wellness-Ausstattungen gibt es im Spa-Bereich ja auch wirklich genug.  

Das alles gibt es ab 181 Euro pro Person inklusive Halbpension; ein absolut fairer Preis

Ansonsten ist die Substanz in diesem Hotel über jeden Zweifel erhaben. Doch all das hochwertige Holz, all die Handwerkskunst, all die kostbaren Einbauten und Dekorationen und all die Liebe zum Detail sind umsonst, wenn der Service den hochwertigen Gesamteindruck nicht stützt. Je luxuriöser ein Haus schon beim Betreten wirkt, desto höher natürlich der Anspruch an die Gastgeber. Das ist gleichermaßen Segen und Fluch der besten Hotels. Sandra, mit ihrem entzückenden Lächeln, ihrer Herzlichkeit und dem heißen Handtuch auf dem silbernen Tablett, hat dem Jagdhof einen Startvorteil verschafft. Wie geht es weiter?  

Um es kurz zu machen: Der Service ist noch besser als die Ausstattung. Wer bis hierher gelesen hat, weiß, was das bedeutet. Ich meine damit nicht einmal die Service-Standards – den Empfang, die Bedienung beim Essen, die Abwicklung von Sonderwünschen und dergleichen. Hier sind die etwa 100 Gastgeber des Jagdhofs schlicht genauso gut, wie man es von einem Hotel dieser Kategorie erwartet. Dass schon das mancherorts heutzutage eine Errungenschaft ist, sollte nicht die Maßstäbe des 5-Sterne-Service verschieben: immerhin haben wir es mit einem inhabergeführten Traditionshaus zu tun.  

Was mich begeistert, ist der Einfallsreichtum und die Leidenschaft, die Familie Pfurtscheller an den Tag legen, um ihren Gästen ein besonderes Erlebnis zu bieten. Die James-Bond-Metapher kommt zum Beispiel nicht von ungefähr: Jeden Donnerstag wird ein „Casino Royale“-Abend veranstaltet, der jedem Bond-Film zur Ehre gereicht – und das ganz ohne Geld, ganz ohne Einsätze, ganz ohne Gewinne für das Haus, einfach nur zum Vergnügen der Gäste. Die können übrigens, ganz legal, am Ende sogar etwas gewinnen, ohne ins Risiko gegangen zu sein: eine Flasche vom Haussekt, zum Beispiel.  

Die klassischen Luxus-Vergnügungen Alpenreisender werden hier ebenfalls noch im großen Stil zelebriert: Auf Wunsch organisieren die Gastgeber die Teilnahme an einer der größten Gamsjagden in Tirol auf 3500 Hektar Grund, der bis 2300 Meter Höhe befahrbar ist und über einen spektakulären Wildbestand verfügt. 

Und Hollywood? Kommt tatsächlich zu Besuch, aber nicht nur zum Übernachten: Gerade erst hat das Hotel Personal Trainerin Ramona Braganza aus L.A. eingeflogen, die die Gäste bei einem exklusiven Retreat trainierte. Sie macht sonst Berühmtheiten wie Halle Berry und Jessica Alba fit.  

Weist man auf solche Sonderleistungen lautstark hin, hängt man Poster auf, nervt man die Gäste mit peinlichen Autogrammkarten der Stars? Nein; die Philosophie des Gasterlebnisses und der Service sind von derselben stillen Perfektion wie die Ausstattung – Flüsterluxus für Kenner.   

Auch kulinarisch werden im Jagdhof keine halben Sachen gemacht. Das hauseigene Restaurant „Hubertus Stube“ wurde mit zwei Hauben und 16 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet. Hier geht es zwar nicht ganz so bodenständig zu wie der beinahe schon ironisch urige Name des Restaurants suggeriert, aber auch nicht gerade avantgardistisch. Regionale Zutaten und Wild aus dem eigenen Jagdrevier werden zu dezent kreativer österreichischer Küche verarbeitet.  

Direkt nach meiner Ankunft will Maître und Sommelier Karl-Heinz keinesfalls akzeptieren, dass ich mich mit einem Salat vom Buffet zufriedengebe, weil ich keinen großen Hunger habe: „Das kann ich nicht zulassen. Wir haben für Sie Alba-getrüffelte Maultäschle, und als Hauptgang müssen Sie das Federhuhn probieren. Eine kleine Portion muss es wenigstens sein – der Chef hat sich den ganzen Tag darauf gefreut, Sie zu verwöhnen.“ Herzliche Verführungskunst: Das ist es, was ein wirkliches Luxushotel von einem einfach nur hochpreisigen Hotel unterscheidet.  

Das Highlight des Restaurants ist der Weinkeller. Er ist einer der besten Österreichs. Mit 1100 Positionen und etwa 20000 Flaschen insgesamt wird hier auch der verwöhnteste Kenner anerkennend mit der Zunge schnalzen. Auch an erlesenen Raritäten herrscht kein Mangel. Wer über umfangreiche Sammlungen von Romanée-Conti und Chatau Mouton-Rothschild-Weinen verfügt, kann zu Recht von sich behaupten, einige der besten Weine der Welt im Keller zu haben.  

Alpinismus: Der Jagdhof bietet Gletscher-Skiläufe oder Klettertouren mit einem erfahrenen Guide an, die das Alpen-Erlebnis auf eine neue Stufe heben.    

Ausflugsziel: Die italienische Grenze ist nur etwa 20 Minuten Fahrt von Neustift entfernt; nach Meran mit seinen Palmen und Köstlichkeiten dauert es nur eine Stunde.  

Essen: Wem sogar die behutsam kreative Alpen-Kulinarik des Jagdhofs zu aufregend ist, findet im kaiserlichen Wirtshaus Schöneck im nahen Innsbruck feinste heimische Küche.